Humorkritik | November 2008

November 2008

Moore & Mohr

Rechtzeitig zur Präsidentenwahl hat Michael Moore ein neues Buch herausgeschleudert: »Yes, We Can. Mikes ultimativer Wahlführer« (Piper), in welchem der unerbittliche Dauerwindmacher sich exakt so präsentiert, wie man es von ihm erwartet: Natürlich ist er für Obama, und natürlich vertritt er seine Position mit der üblichen burschikosen Hemdsärmeligkeit. Leute zu motivieren, die ohnehin schon seine Meinung teilen, fällt ihm nach wie vor leicht, und das Getöse um die eigene Person übertönt manchen klugen, bisweilen sogar originellen Gedanken. Wie zum Beispiel die Idee, das Werk mit einer Kummerkasten-Rubrik zu beginnen, wo fiktive Bürger Fragen an Onkel Mike stellen können. So fragt Rose Nu Bac Thiu aus Seattle, warum die Vietnamesen eigentlich John McCain ins Gefängnis gesteckt und gefoltert haben – wo er doch so ein netter Kerl zu sein scheint. Die Antwort: Weil der Vietnam-Krieg eine US-Aggression war, die außer Leid und Zerstörung nicht viel gebracht hat. Das ist zwar nicht unbedingt witzig, aber wahr. Um seinen Gegnern die Diffamierungsarbeit zu erleichtern, hat Moore den Wahlführer mit einem Anhang versehen. Dieser enthält sinnentstellt verkürzte Sätze aus dem Buchtext, die sich hervorragend zum Verunglimpfen eignen.

 

Durchaus erwägenswert auch Moores Vorschlag, in Zukunft die Wehrpflicht ausschließlich für die Kinder der Reichen einzuführen. Nur dann könne man sichergehen, daß ausschließlich die Kriege angezettelt werden, die wirklich nötig sind. Diese Idee sollten wir auch hierzulande mal prüfen, wenngleich ich den Kampfwert von Leuten wie Alexander von Schönburg oder Sandy Meyer-Wölden wohl eher realistisch einschätze.

 

Da man nicht ausschließen kann, daß die Demokraten auch diese Wahl noch im letzten Moment vergeigen, hat Moore die Fehler aufgelistet, welche die Demokraten machen müssen, damit am Ende John McCain gewinnt. Das ist zwar ironisch gemeint, aber Barack Obamas Zurückrudern von »extremen« Positionen, die Anstrengungen, seine schlaue Frau als braves Hausmütterchen zu präsentieren, und der alberne Versuch, auf den Bowlingbahnen Amerikas bei den Leuten zu punkten, die Neger sowieso dämlich finden – all das wirkt, als hätte jemand diese Tips ernst genommen. Das wäre allerdings alles andere als witzig.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ganz schön kontrovers, James Smith,

was Du als Mitglied der britischen Band Yard Act da im Interview mit laut.de vom Stapel gelassen hast. Das zu Werbezwecken geteilte Zitat »Ich feiere nicht jedes Cure-Album« hat uns jedenfalls so aufgewühlt, dass wir gar nicht erst weitergelesen haben.

Wir mögen uns nicht ausmalen, zu was für heftigen Aussagen Du Dich noch hast hinreißen lassen!

Findet, dass Provokation auch ihre Grenzen haben muss: Titanic

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

 Hallihallo, Michael Maar!

In unserem Märzheft 2010 mahnte ein »Brief an die Leser«: »Spannend ist ein Krimi oder ein Sportwettkampf.« Alles andere sei eben nicht »spannend«, der schlimmen dummen Sprachpraxis zum Trotz.

Der Literatur- ist ja immer auch Sprachkritiker, und 14 Jahre später haben Sie im SZ-Feuilleton eine »Warnung vor dem S-Wort« veröffentlicht und per Gastbeitrag »zur inflationären Verwendung eines Wörtchens« Stellung bezogen: »Nein, liebe Radiosprecher und Moderatorinnen. Es ist nicht S, wenn eine Regisseurin ein Bachmann-Stück mit drei Schauspielerinnen besetzt. Eine Diskussionsrunde über postmoderne Lyrik ist nicht S. Ein neu eingespieltes Oboenkonzert aus dem Barock ist nicht S.«

Super-S wird dagegen Ihr nächster fresher Beitrag im Jahr 2038: Das M-Wort ist ja man auch ganz schön dumm!

Massiv grüßt Sie Titanic

 Ah, »Galileo«!

Über die Arbeit von Türsteher/innen berichtest Du: »Viele Frauen arbeiten sogar als Türsteherinnen«. Wir setzen noch einen drauf und behaupten: In dieser Branche sogar alle!

Schmeißen diese Erkenntnis einfach mal raus:

Deine Pointen-Bouncer von Titanic

 Chillax, Friedrich Merz!

Sie sind Gegner der Cannabislegalisierung, insbesondere sorgen Sie sich um den Kinder- und Jugendschutz. Dennoch gaben Sie zu Protokoll, Sie hätten »einmal während der Schulzeit mal einen Zug dran getan«.

Das sollte Ihnen zu denken geben. Nicht wegen etwaiger Spätfolgen, sondern: Wenn ein Erzkonservativer aus dem Sauerland, der fürs Kiffen die Formulierung »einen Zug dran tun« wählt, schon in der Schulzeit – und trotz sehr wahrscheinlichem Mangel an coolen Freund/innen – an Gras kam, muss dann nicht so ziemlich jedes andere System besseren Jugendschutz garantieren?

Sinniert

Ihre Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg