Humorkritik | November 2008
November 2008
Gute Judenwitze
Einen Haufen Freude indes bereiteten mir folgende zwei Bücher: »Vorsicht, bissiger Gott« (bvt) heißt das eine und ist vom New Yorker Satiriker und Kolumnisten Shalom Auslander, dessen jüdisch-orthodoxe Herkunft ihm reichlich Material für seine Kurzgeschichten gibt. Auf der deutschen Ausgabe prangt – wohl in vorauseilender Sorge um allzu politisch korrekte Leser – der alberne Untertitel »Fiese Storys«. Doch sind Geschichten schon deshalb »fies«, weil Gott ständig »Scheiße« sagt? Oder weil Gott und Luzifer gemeinsam versuchen, einen frommen Mann trotz Seitenaufprallschutzes und Krebsfrüherkennung rechtzeitig ins Jenseits zu befördern? Vielleicht. Jedenfalls bereiteten sie mir mehrheitlich Freude, ebenso die »Holocaust-Tips für Kids«, assoziativ montiert aus kindlicher Perspektive: »Wenn du oben Doppelklebeband rund um deinen Penis legst und die Haut drum herum hochziehst, kannst du den Nazis sagen, daß du kein Jude bist.« Manche der vierzehn Geschichte ergehen sich zwar in netten Belanglosigkeiten, besonders schön fand ich aber das »Glossar, das mein Lektor mir für die deutsche Ausgabe aufgezwungen hat, als wenn uns Juden nicht schon genug angetan worden wäre«.
Mit einem Glossar speziell fürs Jiddische wartet Michael Chabons vielgelobter Roman »Die Vereinigung jiddischer Polizisten« (KiWi) auf. Der Pulitzerpreisträger (»Die unglaublichen Abenteuer von Kavalier und Clay«) hat einen amüsanten Kriminalroman verfaßt, klassisch im Stil und wahnwitzig in seiner Ausgangskonstellation: Der Zweite Weltkrieg endete mit einer Atombombe auf Berlin, Israel wurde nie gegründet, dafür sammelten sich die versprengten Juden der Welt im unabhängigen District Sitka in Alaska: eine jiddische Kolonie mit eingebautem Verfallsdatum. In der Umbruchphase kurz vor der Wiedereingliederung in die Vereinigten Staaten versucht Inspektor Meyer Landsman einen Mord an einem Junkie und ehemaligen Schachwunderkind aus orthodoxer Familie aufzuklären. Chabon zitiert derben jiddischen Witz und schreibt elegant, mit unverhülltem Spaß am bildhaften, aber stets zielsicheren Vergleich. Da nimmt die Exfrau des Kommissars ein »Kompliment an, wie eine Limonadendose, von der sie glaubt, daß er sie vorher geschüttelt hat«, und für den Metaphernhaufen, mit dem Chabon die Körperfülle von Landsmans Gegenspieler abbildet, plündert er fröhlich die Golemlegende: »Rabbi Heskel Shpilmann ist ein deformierter Berg, ein riesiges auseinandergelaufenes Dessert, ein Comichaus mit geschlossenen Fenstern, in dem der Wasserhahn aufgedreht wurde. Ein kleines Kind hat ihn zusammengeklebt, nein, eine ganze Kinderbande, blinde Waisenkinder, die noch nie einen Menschen gesehen haben. Sie haben den Teig für seine Arme und Beine an den Teigklumpen des Rumpfes gepappt und dann den Kopf obendrauf gedrückt.«
Der geplanten Verfilmung durch die Coen-Brüder harre ich mit gespannter Vorfreude.