Humorkritik | Juni 2008
Juni 2008
Blödels Ende
Wohl jeder hat die heikle Situation schon einmal erlebt: Man lernt auf einer Cocktailparty eine entzückende Person kennen, plaudert mit ihr über Hubble-Konstante, Fundamentalonkologie und Bayern München, und irgendwann kommt sie, die unvermeidliche Gretchenfrage: »Und, was ist deine Lieblingsfigur aus dem Nibelungenlied?« Wohl dem, der dann folgende Antwort parat hat:
»Ganz klar der Bruder Etzels, der den Namen ›Blödel‹ trägt, und das nicht von ungefähr, denn er hat in der einunddreißigsten und zweiunddreißigsten Âventiure einen kurzen, aber vorbildlich tölpelhaften Auftritt. Kriemhild dingt ihn als Killer für einen Auftragsmord. ›Sie sprach: Du sollst mir helfen, Bruder Blödelein. / Hier in diesem Hause sind die Feinde mein, / Die Siegfrieden schlugen, meinen lieben Mann: / Wer mir das rächen hülfe, dem wär’ ich immer untertan.‹ – wie es so schön in Karl Simrocks klassischer neuhochdeutscher Übertragung von 1827 heißt.
Als Blutlohn fährt Kriemhild einiges auf: ›Nicht also, Herr Blödel, ich bin dir immer hold: / Ich gebe dir zum Lohne mein Silber und mein Gold / Und eine schöne Witwe, Nudungens Weib: / So magst du immer kosen / ihren minniglichen Leib.‹ Das läßt sich Herr Blödel nicht zweimal sagen, er strawanzt schnurstracks zu Dankwart. Der ist nicht etwa ein Kraftstoffhändler – so einfach ist das mit den sprechenden Namen bei den Nibelungen auch wieder nicht –, sondern der Bruder des Siegfriedmörders Hagen. ›Dieses mein Kommen muß dein Ende sein‹, posaunt Blödel, und: ›Nun wehrt euch, ihr Armen, ihr könnt nicht länger leben‹. Dankwart hört sich das eine Weile an, dann wehrt er sich: Er zieht sein Schwert und schlägt Blödel den Kopf ab.
Gewiß, eine aus heutiger Sicht etwas derbe Pointe, aber die Gagschreiber des Hochmittelalters kannten eben noch keine Sahnetorten, mit denen sich ihre Protagonisten hätten bewerfen können. Aus ähnlichem Grund rutscht Dankwart wenig später nicht auf einer Bananenschale aus, sondern wird erschlagen, und zwar von Helferich, den man wiederum keinesfalls verwechseln darf mit Helferlein, dem Assistenten von Daniel Düsentrieb. Ich habe übrigens ganz viele Daniel-Düsentrieb-Hefte zu Hause, magst du mitkommen und sie dir anschauen?«