Humorkritik | Juni 2008

Juni 2008

Irgendwo bellt mal kein Hund

Als typischer Anfängerfehler, den minderqualifizierte Autorinnen und Autoren durchaus bis ins Spätwerk mitzuschleppen nicht vermeiden können, gilt die Verwendung des auf eine Stimmung quasi existenzieller Verlorenheit abzielenden Satzes »Irgendwo bellte ein Hund«. Ja, dieser Satz ist geradezu zur Chiff­re für handwerkliche (und freilich auch gedankliche) Autoren-Unfähigkeit geworden.


Den Meister erkennt man also schon mal daran, daß er es versteht, Satzstereotype zu vermeiden und die gewünschte Tristesse-Stimmung trotzdem hinzukriegen. Georges Simenon zum Beispiel erweist sich in seinem just bei Diogenes neu aufgelegten Erstling »Maigret und Pietr der Lette« bereits als künf­tiger Könner und Klassiker. Kein einziges Mal »Irgendwo bellte ein Hund«. Nirgendwo! Denn es geht ja auch anders, vielfältiger und also besser. Bei ­Simenon nämlich so: ­»Irgendwo fiel ein Dachziegel auf ­den Bürgersteig«; »Irgendwo läutete eine Glocke«; »Irgendwo heulte eine Sirene«; »Irgendwo lachte eine Frau leise auf«; »­Irgendwo in der ersten Etage wurden Geräusche laut«.


Das Schema ist durchaus variier- und ­ausbaubar mittels Sätzen wie: »Glücklicherweise begegnete er irgendwo einem Koch mit weißer Mütze, der ihn entsetzt näher kommen sah.« Bzw. auch: »Jedes Jahr werden ­irgendwo ein oder zwei Verbrechen begangen, die nicht aufgeklärt werden können.«


Was ja leider und zweifellos ebenso stimmt wie der Umstand, daß irgendwo ­irgendwie irgendwer (Judith Hermann oder so) grade an ähnlichen Sätzen herumbastelt, ohne die Perspektive zu haben, vielleicht irgend­wann mal das Niveau von »Spiel mir das Lied vom Tod« zu erreichen, wo ja bekanntlich Charles Bronson in der unvergeßlichen Schlußszene dem Meisterwerk die Krone aufsetzt, indem er Claudia Cardinales eigentlich unwiderstehliche Einladung, bei ihr zu bleiben (»Sweetwater wartet auf dich!«) mit dem männlichen Satz ausschlägt: »Irgendeiner wartet immer.« Wenn auch nur auf irgendwelche Geräusche aus der ersten Etage.

  

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Ciao, Luisa Neubauer!

»Massendemonstrationen sind kein Pizza-Lieferant«, lasen wir in Ihrem Gastartikel auf Zeit online. »Man wird nicht einmal laut und bekommt alles, was man will.«

Was bei uns massenhaft Fragen aufwirft. Etwa die, wie Sie eigentlich Pizza bestellen. Oder was Sie von einem Pizzalieferanten noch »alles« wollen außer – nun ja – Pizza. Ganz zu schweigen von der Frage, wer in Ihrem Bild denn nun eigentlich etwas bestellt und wer etwas liefert bzw. eben gerade nicht. Sicher, in der Masse kann man schon mal den Überblick verlieren. Aber kann es sein, dass Ihre Aussage einfach mindestens vierfacher Käse ist?

Fragt hungrig: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg