Humorkritik | Juni 2008
Juni 2008
Schmitzens Schluckauf-Schädel
In sämtlichen Werken, die William Shakespeare zugeschrieben werden, kommt nur ein einziges Mal ein Schluckauf vor. Man greift sich an den Kopf: Ein so großer Mann und nur ein einziges winziges Schluckäufchen! »Schluck!«, um Donald Duck zu zitieren.
Ich finde diese Information sehr wesentlich, fast schon aufschlußreich, um nicht zu sagen erhellend. Entnommen habe ich sie dem 1827 Spalten umfassenden Wälzer »Was geschah mit Schillers Schädel?« von Rainer Schmitz (Eichborn Verlag), der neben »Schluckauf« 1199 weitere Stichwörter versammelt. Der Focus-Kulturredakteur hat, sagt die Klappe, sein halbes Leben, das 1950 begann, »den Ozean der Literatur von Homer bis in die Gegenwart durchfischt und berichtet von Trouvaillen und Trophäen, von denen in herkömmlichen Literaturlexika gewöhnlich nichts zu finden ist«.
Ich habe das Buch von Ufer zu Ufer auf dem Rücken durchschwommen und zumindest den Shakespeare-Schluckauf-Gründling an Land gezogen. Bezüglich des Singultus, der »erzitternden oder krampfigzuckenden Bewegung des Zwerchfells und Gekröses«, wie es im Zedlerschen »Universal-Lexicon« heißt, verweise ich auf das Buch »Über den Schluckauf« von Thomas Uhlmann, das 1993 bei :Transit erschien. Dort finden sich auch Auszüge aus der Doktorarbeit von Johann August Unzer, die 1747 unter dem Titel »Abhandlung vom Seufzen« zum Druck kam. Uhlmann nennt sie ein »Kleinod der Schluckaufliteratur«. Unzer (1727-1799), dessen Zeitschrift Der Arzt auch Kant und Goethe lasen, faßt unter dem Begriff Seufzer den einmaligen Seufzer, etwa des Sterbenden, das mehrmalige krampfartige Schluchzen und eben den Schluckauf als »Leibesseufzer«. Für eine eventuelle Neuauflage von Schmitzens »Schädel«-Trumm aber erwarte ich billigerweise eine Angabe, welcher seiner Figuren der göttliche Shakespeare einen Schluckauf andichtete.