Humorkritik | August 2008
August 2008
Im Auge des Hammels
»Was war Ihr komischstes Erlebnis im Amt?«, fragte das für solche Fragen zuständige Magazin Bunte Anfang Juni den von allerlei Mediengelichter zum längst nicht mehr geheimen Kanzlerkandidaten aufgebauten Frank-Walter Steinmeier, und mit seiner Antwort beginnt meine Zuständigkeit. Denn geantwortet wurde so: »Auf dem Flug in ein zentralasiatisches Land berichteten mir meine Mitarbeiter, daß es dort … üblich sei, einen Hammel ganz gebraten zu servieren, diesen vor den Augen des Gastes zu zerteilen und ihm also als besonderes Zeichen der Ehrerbietung das Hammelauge zu servieren. Ich saß also zwei Stunden wie gebannt und mit flauem Gefühl im Magen vor diesem Hammel … Gott sei Dank kam es nicht zum Äußersten. Dieses Auge ging an mir vorüber.«
Lustig ist an dieser Ruine einer Anekdote tatsächlich nur eines: nämlich der Umstand, daß Probleme wie der diplomatisch korrekte Verzehr von Hammelaugen seit eh und je Teil des sogenannten »Zirkeltrainings« sind, welches jeder Auszubildende im höheren Dienst des Auswärtigen Amtes zu bewältigen hat. Eine geradezu lehrbuchmäßige Standardsituation am Horizont auftauchen und gefahrlos vorüberziehen sehen – das ist das Komischste, was dem bedauernswerten Mann jemals passiert ist, vielleicht je passieren wird. Was ein phantastisch verpfuschtes, rundum redundantes Leben! Das kann einem Freund existenzieller Komik wie mir doch tatsächlich den einen oder anderen Freudengluckser entlocken. Und so haben wir beide, Frank-Walter und ich, doch noch hammelmäßig Spaß. Wenn auch jeder auf seine Weise.