Inhalt der Printausgabe

September 2005


Als Lyrikjuror in Rostock
Ein weigehend wahrer Schadensbericht von Thomas Gsella
(Seite 3 von 4)

SCHWARZ

HERR SCHWARZ
ARBEITET SCHWARZ

ER WIRFT SCHATTEN
SCHATTENSCHWARZ

MIT LEHM
AN DIE WAND

HARTER LEHM (ALT)
LEHM WEICH

ERST DUNKEL
SPÄTER HELL

DER LEHM
HERR SCHWARZ

ALTER LEHM
JETZT NEUER LEHM

SPÄTER HELL
FRÜHER HELL

JETZT DUNKEL
GLÄTTET DEN LEHM

GLÄTTET SEINEN SCHATTEN
EIN STÜCK WAND

– da saß ich nun, einen schrecklichen und entsetzlich unbeheizten Abend lang, etwa vier Meter entfernt von der von einer lokal gehobenen Vorjury ausgesuchten und also zu uns durchgelassenen lyrisch-künstlerischen Crème dieses vor trostloser Dummheit und Kunstferne geradezu platzenden Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern, und bis heute frage ich mich, ob diese mit kaum dreißig Bewerbern konfrontierte Vorjury bloß an einer seltenen Extremform von Wahnsinn litt oder im planerischen Vorhinein dieser skandalösen Veranstaltung denn doch ein wenig Witz oder wenigstens Zerstörungswut bewiesen haben mochte, indem sie uns, der Hauptjury, mit voller Absicht die sechs Unbegabtesten, ja Unwilligsten und also seelisch Abstoßendsten dieses auch sittlich unfaßlich versumpften Küstenstreifens zuschusterte und unterschob im Wissen oder zumindest in der Vermutung, daß die ungleich großzügiger honorierte und also verhaßte Hauptjury vorwiegend aus dem eh stark beneideten Westdeutschland kommen dürfte und übrigens auch tatsächlich kam. Aber natürlich konnte diese Vorjury, diese regionale Spitze eines allumfassenden Eisbergs an Idiotie und Gemeinheit, nicht wissen, was sich auch mir erst im Abendverlauf offenbarte, daß genaugenommen auch sämtliche Hauptjuroren von moderner Lyrik nicht die geringste Kenntnis und, so einer meiner Nebensitzer mehrmals wörtlich, »Kenne« hatten; diese ganze Lyrik- und Lirum-Larum-Löffelstiel-Pest sei, seinem unmaßgeblichen Eindruck zufolge, im wesentlichen überflüssigster Quatsch und vollkommener Superscheißdreck, so wiederum wortwörtlich der unsere sogenannte Jury überhaupt wortführende und tyrannisierende Franz-Xaver Kampfnagel, seines Zeichens Stuttgarter Assistenzprofessor für Straßentiefbau und vergleichendes Ingenieurwesen. Im Wortlaut dann praktisch identisch äußerten die drei übrigen Juroren, namentlich der bayrische Dartlandesmeister Robin Klampowsky, Katharine Friese von der Bremerhavener DKP sowie der in meinen Augen schon vor Lesungs- und Torturbeginn fast tödlich angetrunkene und katastrophal stinkende Dortmunder Rentner Hans Magnus von Wilhelmi, ein ehemalig überzeugter und aber, wie er mir mehrmals versicherte, längst konvertierter Aufseher im Konzentrationslager Buchenwald –

 

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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

 Hej, Gifflar!

Du bist das Zimtgebäck eines schwedischen Backwarenherstellers und möchtest mit einer Plakatkampagne den deutschen Markt aufrollen. Doch so sehr wir es begrüßen, wenn nicht mehr allein Köttbullar, Surströmming und Ikeas Hotdogs die schwedische Küche repräsentieren, so tief bedauern wir, dass Du mit Deinem Slogan alte Klischees reproduzierst: »Eine Schnecke voll Glück«? Willst Du denn für alle Ewigkeiten dem Stereotyp der schwedischen Langsamkeit hinterherkriechen? Als regierten dort immer noch Sozialdemokraten, Volvo und Schwedenpornos?

Damit wirst Du nie der Lieblingssnack der Metropolenjugend!

Sagen Dir Deine Zimt- und Zuckerschnecken von Titanic

 Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Die Frage, weshalb Joe Biden in seinem hohen Alter noch mal für das Präsidentenamt kandidiert, anstatt sich zur Ruhe zu setzen, kommentieren Sie so: »Warum muss man eigentlich loslassen? Wenn man etwas gerne macht, wenn man für etwas lebt, dann macht man halt weiter, soweit man kann. Ich schreibe meine Bücher, weil es mir Spaß macht und weil ich nicht Golf spielen kann. Und irgendwie muss ich mich ja beschäftigen.«

Daran haben wir, Wickert, natürlich nicht gedacht, dass der sogenannte mächtigste Mann der Welt womöglich einfach keine Lust hat, aufzuhören, auch wenn er vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Dass ihn das Regieren schlicht bockt und ihm obendrein ein Hobby fehlt. Ja, warum sollte man einem alten Mann diese kleine Freude nehmen wollen!

Greifen Sie hin und wieder doch lieber zum Golfschläger statt zum Mikrofon, rät Titanic

 Chillax, Friedrich Merz!

Sie sind Gegner der Cannabislegalisierung, insbesondere sorgen Sie sich um den Kinder- und Jugendschutz. Dennoch gaben Sie zu Protokoll, Sie hätten »einmal während der Schulzeit mal einen Zug dran getan«.

Das sollte Ihnen zu denken geben. Nicht wegen etwaiger Spätfolgen, sondern: Wenn ein Erzkonservativer aus dem Sauerland, der fürs Kiffen die Formulierung »einen Zug dran tun« wählt, schon in der Schulzeit – und trotz sehr wahrscheinlichem Mangel an coolen Freund/innen – an Gras kam, muss dann nicht so ziemlich jedes andere System besseren Jugendschutz garantieren?

Sinniert

Ihre Titanic

 Ah, »Galileo«!

Über die Arbeit von Türsteher/innen berichtest Du: »Viele Frauen arbeiten sogar als Türsteherinnen«. Wir setzen noch einen drauf und behaupten: In dieser Branche sogar alle!

Schmeißen diese Erkenntnis einfach mal raus:

Deine Pointen-Bouncer von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg