Inhalt der Printausgabe
September 2005
Als Lyrikjuror in Rostock Ein weigehend wahrer Schadensbericht von Thomas Gsella (Seite 1 von 4) |
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»Denn daß in diesem Staat nur das Stumpfsinnige und die Mittellosigkeit und der Dilettantismus geschützt sind und immer wieder gefördert werden und daß in diesem Staat nur in das Stümperhafte und in das Überflüssige alle Mittel gestopft werden, ist klar.« Thomas Bernhard Natürlich war es meiner an Dummheit grenzenden und vielmehr ihr komplett sich verdankenden Eitelkeit geschuldet, einer kindischen und extrem peinlichen Eitelkeit, welche sich in meinem Falle mischt mit zuweilen absoluter Gedankenferne und Hirnverdunklung einerseits und verachtenswertester Geldgier andererseits, daß ich die Einladung eines im ostdeutschen Rostock wirksamen und bei Gott fürchterlichst wirksamen sogenannten »Literaturhauses Kuhtor« annahm, wobei mir damals, zum Zeitpunkt der Annahme der Einladung, die gleich doppelte contradictio beziehungsweise condictio in adjecto nicht sofort auffiel, freilich unbedingt sofort hätte auffallen müssen, indem ja sowohl das Wort Kuh als auch und noch entschiedener das Wort Tor das ganze Blödige, Landmännisch-Inzestuöse und elementar Beschränkte dieses gewissermaßen urostdeutschen Literaturhauses und Literaturirrenhauses bereits in gewollt schamloser Weise demonstriert; daß mich damals in meiner damaligen und übrigens noch heutigen finanziellen und steuerlichen Situation allerdings sogar ein »Literaturhaus Eseldummkopf« zur quasi automatischen Annahme der Einladung veranlaßt hätte, muß ich ehrlicherweise ebenso eingestehen wie den in meinen Augen noch viel ekelhafteren Umstand, daß ich über den Titel der mich als Mitjuror ladenden Veranstaltung ja durchaus und pünktlichst informiert worden war: Es ging, im nachhinein dann unerträgliche sechs Stunden lang und begleitet bzw. zum Glück doch halbwegs regelmäßig unterbrochen vom bei derlei provinziellen Kollektivmasturbationen längst obligaten Pausenklavierspieldesaster, jenen abscheulichen Darbietungen zehntelpianistischen Bauerngedudels und Verbrechens am Instrument, die immer peinlich darauf achten, um kein Jota virtuoser und überhaupt geistnäher zu agieren als das namengebende sogenannte Textprogramm – »der/die LyrikmeisterIn Mecklenburg-Vorpommern« galt es also wie gesagt oder besser bis hierher verschwiegen im Rahmen der »8. Rostocker Lyriknacht« mit unter anderem meiner »Hilfe und Fachkompetenz« zu ermitteln, ausgerechnet, wie ich bereits zur Minute der Brieföffnung und -lektüre sehr deutlich empfand, meiner Hilfe und Fachkompetenz, denn weder bin ich ein ausgewiesener Freund und Fürsprecher moderner Lyrik, noch kenne ich mich sonders, ja überhaupt irgend aus auf diesem bis in die Fundamente verderbten und verfaulten Tummelplatz grotesk mißratener Postabiturienten und unglücklichster Junggesellen einerseits und aufstapelnder Gauner, Sinnhuber und verrückt gewordener Ministerialdirektorsgattinnen andererseits, die beide ihre verlehmte Seele in den Vers hinein meißeln und verewigen zu müssen glauben, in eine sogenannte Verskunst und in meinen Augen kolossale Mistschreiberei und letzten Endes sogar Versscheiße –
*Die hier zitierten Gedichte wurden von ihren Schöpfern am 17.6.2005 vor mir als Juror wie abgedruckt verlesen im Rahmen der Veranstaltung »Heraus, Meister des Wortes! 8. Rostocker Lyriknacht – Ermittlung und Verkündigung der Lyrikmeister/in Mecklenburg-Vorpommern«. Frei erfunden ist also lediglich alles übrige.
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