Inhalt der Printausgabe

Juni 2003


Humorkritik
(Seite 3 von 10)

Stumphe Kopie

Der Slowake Ivan Reitman kam 1968 aus der Tschechoslowakei in die USA. Nachdem ihm in den achtziger Jahren mit "Ghostbusters" ein Blockbuster gelungen war, konnte er sich in den neunziger Jahren einen Traum erfüllen: die Inszenierung einer Komödie, die wie die Frank-Capra-Filme in den dreißiger Jahren mit romantischer Grundierung an das soziale Gewissen appelliert.
"Dave" (1993) erzählte die Geschichte des Arbeitsvermittlers Dave Kovic (Kevin Kline), der in seiner Freizeit als Präsidenten-Double arbeitet und vom FBI als Doppelgänger angeheuert wird, damit der Präsident in Ruhe seinen Seitensprüngen nachgehen kann. Als der Präsident unter einer Geliebten einen Herzinfarkt erleidet, muß Dave länger im Amt bleiben als geplant. Er nutzt die Zeit für das, was er am besten kann: Mensch sein. Nachdem Dave einige Intrigen überstanden und die Politik genügend humanisiert hat, kehrt er geläutert in sein normales Leben zurück; mit seinem Auftreten hat er nicht nur das Weiße Haus verändert, sondern auch sich selbst. Der Sachse Wolfgang Stumph kam 1989 mit dem DDR-Beitritt in die Bundesrepublik geschwappt. Er hatte mit der TV-Schwank-Serie "Salto postale" und der Krimi-Reihe "Stubbe - Von Fall zu Fall" allerhand Erfolg. Stumph etablierte sich als ostdeutsches Gegenstück zu Ottfried Fischer; beider schauspielerische Mittel sind beschränkt, aber sie gelten als regionalverwurzelt und volkstümlich. Am 1. Mai 2003 war Stumph in "Der Job seines Lebens" zu sehen, wo er einen Arbeitslosen spielte, der irrtümlich für den im Ausland urlaubenden Minsterpräsidenten gehalten wird.
Die Anleihen bei "Dave" sind unübersehbar. Das ist per se nicht schlimm - in der TV-Branche ist schlecht geklaut noch immer besser als verheerend erfunden. Davon konnte aber keine Rede sein: Kevin Klines Dave wird glaubwürdig als Doppelgänger etabliert, Stumphs Langzeitarbeitsloser ahnt bis zu einem folgenreichen Friseurbesuch gar nicht, daß er dem Ministerpräsidenten ähnlich sieht. Nur eine Rasur, dann halten ihn alle für den MP. Das ist unschön und unglaubwürdig. Die weitere Geschichte bleibt dumpf und stumph: die Politiker in dem Film sind Fatzkes, die Entlassungskandidaten ölverschmierte Arbeiterdenkmäler. Was die Originalidee noch an Poesie enthält, wird unter der Rainer-Kaufmann-Regie zielstrebig gemeuchelt.
Am Anfang verärgert nur das dreiste Plagiat. Wenn man so unverhohlen klaut, sollte man wenigstens dem Original seine Reverenz erweisen. Am Ende versöhnt die stümperhafte Umsetzung jedoch mit dem Schweigen: Wenn sich die Biedermänner von "Der Job seines Lebens" auch noch als Reitman-Fans geoutet hätten - das wäre des Schlechten dann doch zuviel gewesen.



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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Die Frage, weshalb Joe Biden in seinem hohen Alter noch mal für das Präsidentenamt kandidiert, anstatt sich zur Ruhe zu setzen, kommentieren Sie so: »Warum muss man eigentlich loslassen? Wenn man etwas gerne macht, wenn man für etwas lebt, dann macht man halt weiter, soweit man kann. Ich schreibe meine Bücher, weil es mir Spaß macht und weil ich nicht Golf spielen kann. Und irgendwie muss ich mich ja beschäftigen.«

Daran haben wir, Wickert, natürlich nicht gedacht, dass der sogenannte mächtigste Mann der Welt womöglich einfach keine Lust hat, aufzuhören, auch wenn er vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Dass ihn das Regieren schlicht bockt und ihm obendrein ein Hobby fehlt. Ja, warum sollte man einem alten Mann diese kleine Freude nehmen wollen!

Greifen Sie hin und wieder doch lieber zum Golfschläger statt zum Mikrofon, rät Titanic

 Kurze Anmerkung, Benedikt Becker (»Stern«)!

»Wer trägt heute noch gerne Krawatte?« fragten Sie rhetorisch und machten den Rollkragenpullover als neues It-Piece der Liberalen aus, v. a. von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner, »Was daran liegen mag, dass der Hals auf die Ampelkoalition besonders dick ist. Da hilft so eine Halsbedeckung natürlich, den ganzen Frust zu verbergen.«

Schon. Aber wäre es angesichts des Ärgers der beiden Freien Demokraten über SPD und Grüne nicht passender, wenn sie mal wieder so eine Krawatte hätten?

Ebenso stilistisch versiert wie stets aus der Mode: Titanic

 Ganz schön kontrovers, James Smith,

was Du als Mitglied der britischen Band Yard Act da im Interview mit laut.de vom Stapel gelassen hast. Das zu Werbezwecken geteilte Zitat »Ich feiere nicht jedes Cure-Album« hat uns jedenfalls so aufgewühlt, dass wir gar nicht erst weitergelesen haben.

Wir mögen uns nicht ausmalen, zu was für heftigen Aussagen Du Dich noch hast hinreißen lassen!

Findet, dass Provokation auch ihre Grenzen haben muss: Titanic

 Weiter so, uruguayischer Künstler Pablo Atchugarry!

Eine angeblich von Ihnen geschaffene Bronzeskulptur im englischen Cambridge soll an Prinz Philip erinnern, der dort von 1977 bis 2011 Kanzler der Universität war. Allerdings wird das Kunstwerk, das im Auftrag eines reichen Bauträgers angefertigt wurde, von vielen als verunglückt empfunden und zieht seit nunmehr zehn Jahren Spott auf sich.

Dass Sie mittlerweile die Urheberschaft leugnen, um Ihr Renommee als Künstler zu schützen, ist zwar verständlich, aber aus unserer Sicht völlig unnötig. Wenn sich das Konzept durchsetzt, lästige Promis, die uns über Jahrzehnte viel Zeit, Geld und Nerven gekostet haben, mit langlebigen Schrott-Monumenten zu schmähen, werden Sie sich vor Aufträgen bald kaum noch retten können. Und das Beste: Weil andere Großkopferte sich mit ihren Eskapaden zurückhalten würden, um nicht von Ihnen verewigt zu werden, sorgten Sie auch noch für Ruhe und gesellschaftlichen Frieden.

Hofft, dass dieser Vorschlag einen Stein ins Rollen bringt: Titanic

 Hoppla, Berliner Gefängnischefs!

Drei von Euch haben laut Tagesspiegel wegen eines Fehlers der schwarz-roten Regierungskoalition statt einer Gehaltserhöhung weniger Geld bekommen. Aber der Ausbruch von Geldnöten soll durch einen Nachtragshaushalt verhindert werden. Da ja die Freundschaft bekanntlich beim Geld endet: Habt Ihr drei beim Blick auf Eure Kontoauszüge mal kurz über eine Ersatzfreiheitsstrafe für die nachgedacht, die das verbrochen haben?

Wollte diese Idee nur mal in den Raum stellen: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

 Tödliche Pilzgerichte (1/1)

Gefühlte Champignons.

Lukas Haberland

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg