Inhalt der Printausgabe
Juni 2003
Humorkritik
(Seite 8 von 10)
Kaisers Folklore |
Es soll Leute geben, die mit der Lektüre eines Buches von hinten beginnen. Die läsen dann, so sie Jan Kaisers Gedichtband mit dem verwegenen Titel "Wie Schwech und Pefel. Liebeslustundlachgedichte" (Knaur) in Händen hielten, erst mal eine ganzseitige, nicht weniger verwegene "Zum Autor"-Eigenwerbung ("…benahm er sich sooft daneben, bis seine Eltern ihn mit den besten Wünschen der Waldorfschule von derselben entfernten … ist ein genauso begeisterter wie erfolgloser Angler und darob bei den Fischen in den umliegenden Flüssen sehr beliebt…"). Fingen sie hingegen regulär von vorne an, begrüßte sie ein bildungs- bis metaphernsattes Vorwort ("Wenn ich unseren Bücherschrank in Augenschein nehme, so geht das links mit Goethe und Heine los, dann kommen Ringelnatz, Morgenstern und ziemlich viel Gernhardt… Und ist es nicht tatsächlich immer die Liebe, das alte Haus, die den Dichtern die Feder führt? Diese ursprünglichste und stärkste aller Kräfte, mächtiger als ein übellauniger Vulkan und inbrünstiger als eine kalbende Nilpferdkuh? Ich denke schon"). Und wenn wir wahllos aufblättern: "›Ich bin kein Weib für eine Nacht!‹ / rief sie schrill und aufgebracht. // Ich sprach: ›Das ist mir einerlei, / denn ich nehm dich auch für zwei!‹", bekommen wir meist manierlich verreimte, immer eklektische und jedenfalls äußerst folklorig dahertanzende Verse, die ich jedem, der Überraschungen nicht mag und Minderklassiges schätzt, hiermit mit guten Wünschen aufs Nachtkastl lege. |
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