Inhalt der Printausgabe

Juni 2003


Humorkritik
(Seite 10 von 10)

Blätterbukowski

"Rosaroten Bullshit" wollte Charles Bukowski nicht schreiben, und das, soweit sind sich seit ca. zweihundert Jahren alle einig, tat er auch nicht. Daß Bukowskis später Erfolg, zumal in Deutschland, "viele entsetzt hat", wie man aus dem Mund eines deutschen Lektors noch heute vernehmen darf, ist auch mittlerweile Geschichte und deshalb denk-, vor allem aber lesefauler Gemeinplatz.
Bukowski, der betriebskanonische Musenficker und Hurensohn, der Hasser und Miesmacher von allem und jedem, ausgenommen den wahrscheinlich speziell für ihn erfundenen Alkohol und die schönen Damen - kann dieser auf der anderen Seite des Literargewerbes subkutan oder subkulturell eingemeindete "Buk" eigentlich auch anders? Anders als: hassen, ficken, saufen und so verwichst-verhunzt dreinschauen, wie ihn Howard Sounes' jetzt von Zweitausendeins in Deutschland vertriebener Photoband aus dem Jahr 2000, "Bukowski in Pictures", schon per Titel zigarillorauchumwölkt zeigt?
Offenbar. Weit hinten in ebendiesem Buch sieht man "Bukowski clowns about in a policeman's hat", foolin' around wie ein charmanter Partybrocken, und auf der Banderole des für Zweitausendeins von Bukowskis deutschem Agenten und Übersetzer Carl Weissner besorgten Gesamtgedichtbandes "439 Gedichte" lacht Bukowski noch unnötiger und ungenötigter und einnehmender. Einer, der so zu grinsen versteht, im T-Shirt, links die heruntergesengte Fluppe, rechts die halb hineingespülte Pulle, kann nicht der banale Miefbolzen gewesen sein, den das Silberhaarfeuilleton in ihm sah.
Ob Bukowski nun angesichts dieser weltweit größten, 992 Seiten starken, auf 350 Seiten hierzulande bisher unveröffentlichte Gedichte versammelnden Ausgabe ein "Lyriker von internationalem Rang" zu nennen ist, soll Zweitausendeins wissen und sagen. Ich sage nur, daß dieser milde und aus einem offenkundig weiten Menschenherz herauslachende Banderolenbukowski durch den besagten feinen leinengebundenen Prügel als sanfter und sorglich zu handhabender Dichter lesbar wird, der, ich blätter' mal, auch komisch, zumindest lösend schreiben konnte, doch, konnte er, und ich halte mich da z. B. mal an das Poem "Ruhestörung": "Es war Sonntagmorgen / kurz vor halb elf / als sie mich raus- / klingelten. // Ich zog den Bademantel meines / toten Vaters über, an dem / der eine Ärmel fehlte, / und machte auf. // Eine Frau mit Sonnenbrille / und ein Mann. // ›Wie geht es Ihnen heute?‹ / fragte er. // ›Nicht besonders.‹ // Er hielt mir ein paar / fromme Broschüren hin. // ›Nein danke. Will nicht.‹ // ›Uns hat alle derselbe / Schöpfer gemacht‹, sagte er. // ›Ich bin hier der / Schöpfer‹, sagte ich und / machte die Tür zu."



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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

 Ah, »Galileo«!

Über die Arbeit von Türsteher/innen berichtest Du: »Viele Frauen arbeiten sogar als Türsteherinnen«. Wir setzen noch einen drauf und behaupten: In dieser Branche sogar alle!

Schmeißen diese Erkenntnis einfach mal raus:

Deine Pointen-Bouncer von Titanic

 Clever, »Brigitte«!

Du lockst mit der Überschrift »Fünf typische Probleme intelligenter Menschen«, und wir sind blöd genug, um draufzuklicken. Wir lernen, dass klug ist: wer mehr denkt, als er spricht, wer sich ungeschickt im Smalltalk anstellt, wer sich im Job schnell langweilt, wer sich mit Entscheidungen schwertut, wer bei Streit den Kürzeren zieht und wer ständig von Selbstzweifeln geplagt wird.

Frustriert stellen wir fest, dass eigentlich nichts von alledem auf uns zutrifft. Und als die Schwachköpfe, die wir nun einmal sind, trauen wir uns fast gar nicht, Dich, liebe Brigitte, zu fragen: Waren das jetzt nicht insgesamt sechs Probleme?

Ungezählte Grüße von Deiner Titanic

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

 Hallihallo, Michael Maar!

In unserem Märzheft 2010 mahnte ein »Brief an die Leser«: »Spannend ist ein Krimi oder ein Sportwettkampf.« Alles andere sei eben nicht »spannend«, der schlimmen dummen Sprachpraxis zum Trotz.

Der Literatur- ist ja immer auch Sprachkritiker, und 14 Jahre später haben Sie im SZ-Feuilleton eine »Warnung vor dem S-Wort« veröffentlicht und per Gastbeitrag »zur inflationären Verwendung eines Wörtchens« Stellung bezogen: »Nein, liebe Radiosprecher und Moderatorinnen. Es ist nicht S, wenn eine Regisseurin ein Bachmann-Stück mit drei Schauspielerinnen besetzt. Eine Diskussionsrunde über postmoderne Lyrik ist nicht S. Ein neu eingespieltes Oboenkonzert aus dem Barock ist nicht S.«

Super-S wird dagegen Ihr nächster fresher Beitrag im Jahr 2038: Das M-Wort ist ja man auch ganz schön dumm!

Massiv grüßt Sie Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Tödliche Pilzgerichte (1/1)

Gefühlte Champignons.

Lukas Haberland

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg