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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Und es ist Sommer

Unsere wunderbare Welt ist bekanntlich voller Narrative. Einige werden mählich gestrig und zu solchen, die ein Kind vielleicht noch kennenlernt – weil Traditionen, andernfalls sie keine wären, träge sind –, aber mit keiner Realität mehr wird abgleichen können: Daß der April mache, was er will, wie es in den Kindergärten noch gesungen wird, es stimmt ja schon nicht mehr, wenn zur Monatsmitte verläßlich Juni einkehrt; wie zu den ersten ideellen Opfern der Erderwärmung das Aprilwetter rechnet, dieser wunderbar antipositivistische Anachronismus, über dessen Ende sich Frühstücksradio und Wetterbericht denn auch nicht enthusiastisch genug freuen können. Denn daß einer mache, was er will, kann ja keiner wollen: die Chefs nicht, die Lohnabhängigen aber auch nicht, die sich freuen müssen, wenn es an Schreibtisch oder Werkbank auf wenigstens bezahlte Willkür hinausläuft, und die die relative Willkür am Arbeitsplatz der absoluten von Hartz IV jedenfalls und verständlicherweise vorziehen.

„Gestern Heute Morgen / Hoffnungen und Sorgen / Wechselspiel der Formen im April // Nebelschleier fallen / Freudenquellen wallen / Wind spielt mit den Weiden wie er will // Wälder rauschen, Ströme gleiten / Über Felder, durch die Zeiten / Sonnenstrahlen – wie für uns gemacht // Igel tapsen, Füchse tollen / Hier und da ein Donnergrollen / Regen prasselt auf die Blütenpracht“: für diese naivromantische Evokation hat man die späten Blumfeld 2006 ausgelacht. Dabei war es ein Abschied; und nicht will man dauernd den Weltgeist bemühn, aber daß die zeitgenössische Geschichtslosigkeit so schön mit dem Ende des Frühlings als Jahreszeit in eins fällt, ist doch mal eine Pointe. (Für „Zeit“ und „Wetter“ haben die romanischen Sprachen dieselbe Vokabel.) Für die, die so gern von Freiheit reden, ist der neue Sommer nicht nur der Beweis dafür, daß da, wo sie hinlangen, nun mal die Sonne scheint, sondern er ist auch, ganz praktisch, Vertreter und Garant jener stur guten Laune, ohne die es nicht mehr geht; und es ist so begrüßenswert wie aussagekräftig, wenn immer länger Sommer ist, aber mit immer weniger Leben, und die Körper zwar immer früher freigemacht werden, dafür immer verzweifelter bemalt sind. Daß die Leut’ beim Cabriobewegen nichts Fleuchendes mehr auf der Windschutzscheibe haben, weil sie durch mehr oder minder zu Tode Gewirtschaftetes fahren, muß sie nicht kümmern, denn es geht ihnen ja ähnlich; und hat ein Fachmann für Umweltpsychologisches im Morgenblatt nicht erst wieder davon gesprochen, der moderne Zivilisationsmensch sei von den vielen Naturschutzgeboten „überfordert“? Weswegen er aus dem desaströsen Dreieck aus Schrottfleisch, Großmotor und Fernreise nicht und nicht herausfindet? Aus dem er aber auch nicht herausfinden darf, wenn der Boom ein Boom bleiben soll?

„Du stehst in der Früh auf, und schon wieder scheint die Sonne. Das ist so deprimierend, Olga, das kannst du dir gar nicht vorstellen. Jeden Tag Sonne. Da trinkst du schon mal einen, den ersten, weil, sonst hältst du’s nicht aus.“ Dietl/Süskind, 1982

Im nämlichen Morgenblatt war ein Kommentator dann sogar „deprimiert“ angesichts einer Agrarministerin, die im wesentlichen will, daß alles beim Bewährten bleibt, und jetzt erst mal solange alles prüft, bis wirklich alles tot ist; doch dafür akkurat rapsgelb, wie der Zwischenton, als dessen Sinnbild wir den alten April gern begreifen, ja generell verschwindet. Und übrig bleibt ein Gelb und Blau als Schwarz und Weiß, und aus mindestens vier Jahreszeiten werden zwei, eine schöne und eine doofe, eine richtige und eine falsche. So wie die Demokratie als alternativlos marktkonforme halt kein Nuancenparadies sein kann.

Auch wenn sich z.B. die „Zeit“ alle Mühe gibt: „Einst besiedelten Juden aus aller Welt arabisches Land. Sie schufen einfach Fakten, aus denen der Staat Israel wuchs.“ Es sind April-Scherze wie diese, für die dann auf Berliner Straßen die garantiert Falschen Prügel beziehen. Und die Sonne scheint immer früher und immer heißer auf die Gerechten und das „Kroppzeug“ (Thomas Mann), und daß uns Sonnenfreunden die Laune mal vergeht, wir glauben nicht mehr dran.




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Briefe an die Leser

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

 Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

als Ihr eine Folge Eures Pärchenpodcasts »Feel the News« mit »Das Geld reicht nicht!« betiteltet. Da fragten wir uns, was Ihr wohl noch haben wollt: mehr Talkshowauftritte? Eine Homestory in der InTouch? Doch dann hörten wir die ersten zwei Minuten und erfuhren, dass es ausnahmsweise nicht um Euch ging. Ganz im Sinne Eures Formats wolltet Ihr erfühlen, wie es ist, Geldsorgen zu haben, und über diese Gefühle dann diskutieren. Im Disclaimer hieß es dann noch, dass Ihr ganz bewusst über ein Thema sprechen wolltet, das Euch nicht selbst betrifft, um dem eine Bühne zu bieten.

Ihr als Besserverdienerpärchen mit Loft in Prenzlauer Berg könnt ja auch viel neutraler und besser beurteilen, ob diese Armutsängste der jammernden Low Performer wirklich angebracht sind. Leider haben wir dann nicht mehr mitbekommen, ob unser Gefühl, Geldnöte zu haben, berechtigt ist, da wir gleichzeitig Regungen der Wohlstandsverwahrlosung und Realitätsflucht wahrnahmen, die wir nur durch das Abschalten Eures Podcasts loswerden konnten.

Beweint deshalb munter weiter den eigenen Kontostand: Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick