Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (40)
Und also standen sie, und Kurtchen war betrunken genug, sich zu entschließen, nichts zu sagen, jedenfalls nicht als erster. Er überlegte, wie schön es wäre, jetzt einfach zu gehen und diesen trefflich tarierten Rausch sicher ins Bett zu balancieren, ohne daß jetzt irgendwas passierte, zu dem man sich später irgendwie würde verhalten müssen. Eine Existenz der Folgenlosigkeit und frohen Unverbindlichkeit galt es immerhin anzustreben, ein Schweben zwischen den Möglichkeiten, ohne daß die Entscheidung für eine von ihnen so viele andere abschnitt, denn sicher, sicher war nur der Tod, und Kurtchen, auf dem Höhepunkt seines philosophischen Vermögens, merkte, daß er Sodbrennen bekam. Das würde er, wußte er, nicht lange aushalten, es wäre auch gar nicht gesund, und auf der Speiseröhrenkrebsstation wäre es mit dem Schweben Essig; und also war's, da Petra stand und schwieg, doch wieder an ihm, die Situation versiert zu entkrampfen und die Weichen zu stellen für eine Zukunft, die dann doch immer wieder von einem selbst abhing, es war, parbleu, zum Aufstoßen.
"Sodbrennen", sagte Kurtchen und legte zu Demonstrationszwecken die flache Hand aufs Brustbein. Er wußte, daß er sich bald fragen würde, ob es nicht doch Momente gibt, in denen das Bekenntnis, man habe Magensäure in der Kehle, die Dinge in eine Richtung ändern, die für falsch zu halten sich irgendwann anbieten muß; aber gesagt war gesagt, und er hatte ja wirklich Sodbrennen.
"Milch", sagte Petra, die nichts dabei zu finden schien, daß der Abend so endete. Wenn er denn so endete. "Mir hilft meistens ein Schluck Milch."
"Mir auch", sagte Kurtchen. "Obwohl mir mal eine Apothekerin erzählt hat, das sei Unsinn, das mit der Milch. Es war allerdings eine sehr dicke, sehr betrunkene Apothekerin mit Liebeskummer, nicht meinetwegen, aber sie war ganz aufgelöst, aber warum wir über Sodbrennen gesprochen haben, weiß ich nicht mehr. Wahrscheinlich hatte ich welches."
"Hm", machte Petra, eine wiederum außerordentlich plausible Einlassung, wie Kurtchen fand.
"Ich muß da lang", sagte er schließlich und wies mit dem Kopf nach links, die Straße hinunter. Eines der schlechteren Enden für einen halbromantischen Abend, aber nach Sodbrennen hatte es wohl eh nicht mehr viel zu gewinnen gegeben, was immer er, Kurtchen, auch gewinnen wollte; kein Wunder, daß diese verbreitete Fehlfunktion in romantischen Komödien praktisch nie eine Rolle spielte. Kurtchen, so lavalampenhaft es in seinem Kopf auch zuging, sah sich in seiner Überzeugung bestätigt, daß immer eins zum anderen führt. So blieb das All in Harmonie, und man wußte, woran man war.
"Ich muß da hoch", sagte Petra, unverbrüchlich lächelnd. (wird fortgesetzt)
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