Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (31)
Was wußte Petra, was er, Kurtchen, nicht wußte? Und, viel wichtiger: Was wußte Petra, was er nicht wissen wollte, seine Geheimnisvöllerei nicht zu unterbinden? Und wieviel wollte (mußte) er aber trotzdem wissen, weil er mit Gernolf (und Fred) ja weiter umgehen mußte (wollte) und es den Umgang erleichtert, wenn man weiß, was Menschen so umtreibt? Und es angesichts des Umstands, daß er mit (Porno-)Petra allein an einem Tisch saß, ja auch keinesfalls tunlich war, den erstbesten Gesprächsfaden nicht zu ergreifen wie nur je ein Schiffbrüchiger den Rettungsring?
In einer Mischung aus Angst und Vorfreude schauderte Kurtchen fast ein bißchen, wenn er an den kommunikativen Drahtseilakt dachte, den er da vorhatte; und der Angstanteil erhöhte sich, als er, zwischen einem Wutanfall am Kartentisch und einer neuerlichen Getränkebestellung, die interne Frage nicht unterdrücken konnte, inwieweit sein ewiges Geeiere um unaufgelöste Geschichten und jungfräuliche Geheimnisse weniger ein Zeichen von Geistesadel und versnobter Freude am Vagen, Amorphen, Unabsoluten sei denn eine Möglichkeit, sein regelmäßiges und in dieser Regelmäßigkeit notwendig trübes Leben ein bißchen aufzurüschen.
Während Petra ihn ansah und wohl auf ein Zeichen wartete, mit ihrer Geschichte (oder ihrer Version der Geschichte) loszulegen, tat sich in Kurtchens Unterbauch ein Loch auf, wie es sich auftut, wenn man merkt, daß sich die Geschichte, die man der Polizei erzählt hat, nicht mehr lange halten läßt. Kurtchen hatte der Polizei erst einmal eine Geschichte erzählt, und das war sogar eine wahre gewesen (er hatte einen Bonanzafahrraddiebstahl angezeigt, weniger in der Hoffnung, sein Bonanzafahrrad zurückzukriegen, als in der Erwartung, durch diesen Akt amtlicher Feststellung den schockierenden Einbruch des Regellosen synthetisch aufzuheben), aber er hatte genügend Fernsehkrimis gesehen, um sich auszukennen. Andererseits, beruhigte er sich, wurde in Fernsehkrimis praktisch nie gezeigt, wie einer mit seiner Geschichte davonkam. Darum ging es nämlich, dachte Kurtchen und freute sich, daß der Alkohol ihn langsam, aber sicher ins unangreifbar Tresenphilosophische trug. Ums Davonkommen.
„Du... kennst die Geschichte?“ fragte Petra jetzt, wie um den Gesprächsfaden ihrerseits nicht abreißen zu lassen, was Kurtchen erst beruhigte, ihm dann aber die unwillkommene Ahnung eingab, Petra sei verlegen auch seinetwegen.
Er sagte nichts, sondern sah zurück, hob die Augenbrauen und deutete ein Schulterzucken an, wie er es immer tat, wenn er auf derlei nichtbeantwortbare Fragen antworten sollte. Denn ob er die Geschichte kannte, würde er ja erst wissen, wenn er die Geschichte kannte.
"Tja", sagte Petra, und Kurtchen vermutete, er habe die Augenbrauen nicht hoch genug gezogen, so daß nur das Schulterzucken geblieben war, und das allein markierte ja eher Ratlosigkeit: Er kannte die Geschichte, wußte aber nicht, wie er sich dazu verhalten sollte. Das schien zu der Geschichte zu passen, wie immer sie ging.
"Ich weiß nicht, ob ich das könnte", sagte Petra und seufzte allerliebst. "Du?"
Kurtchen war kein Kishon-Leser, aber mußte jetzt doch an die Satire denken, in der ein Kritiker im Angesicht des Autors ein Buch besprechen muß, das er nicht gelesen hat. (wird fortgesetzt)
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