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Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (28)

(Was bisher geschah)

Fred hob den Kopf und verschob die Unter- gegen die Oberlippe, wie man es tut, wenn man Ratlosigkeit, ja Gequältsein demonstrieren will. Bestimmt kam es Kurt­chen nur so vor, aber der Geräuschpegel schien gesunken zu sein, sogar am Kartentisch gaben sie Ruhe, als wollten sie einen akustischen Spot auf Fred richten, ein Geständnis in puncto Bahnhofsbuchhandel oder sogar Fi­cken zu erleichtern; wo nicht zu erzwingen.

Zu Freds Glück kam die Bedienung und stellte drei Gläser Bier vor sie hin, wobei sie das nach Gernolfs Abgang überflüssige vor Fred postierte, als habe sie mitgehört und wolle der Überlegung Ausdruck verleihen, hier sei mehr Alkohol vonnöten als geplant. Als sei nichts vorgefallen, nahm Fred sich ein Glas, hob es, ein Prosit andeutend, zu Kurtchen hin und nippte dran. Er stell­te es nieder, schraubte abermals daran und sagte: "Ich kann am Bahn­hofsbuchhandel nichts Schlimmes finden. Du vielleicht?"

Kurtchen hob sachte die Schultern, der Bahnhofsbuchhandel gehörte zu den vielen Dingen, zu denen er keine Meinung hatte, ja, auch keine zu haben brauchte, gottlob. Er glaubte bloß gehört zu haben, daß heikle Bücher nie so heikel sein durften, daß sie dem normalen Bahnhofsbuchhandelskunden zu heikel wären, weil Bahnhofsbuchhandelskunden wohl dümmer waren als normale Buchkäufer und grundsätzlich alles mißverstanden. Deswegen gal­ten sie als gesellschaftlicher Maßstab.

"Kann ich ja nicht ahnen, daß er gleich so ausrastet", sagte Fred und klang jetzt zerknirscht; Kurtchen wartete bang, ob Fred das Fickthema angehen würde.

"Na ja", machte Kurtchen, der zwar nicht mehr als nötig eingreifen wollte, aber doch eine Art Sorgfalts- und Freundschaftspflicht Gernolf gegenüber hatte. Natürlich hatte Fred das geahnt; wie denn auch nicht.

"Das sind genau die Leute", Fred sah jetzt unbestimmt und wie bitter in die Extra Bar hinein, "die immer austeilen, aber nie einstecken können." Kurt­chen wollte Fred nichts Böses, aber ein kleiner Herzanfall hätte die Ge­schichte auf dem Gipfel ihrer Rätselhaftigkeit jetzt sehr passend einfrieren können; denn Gernolf war eigentlich kein Austeiler, da mußte man ihn schon provozieren. Kurtchen wußte immer weniger, wovon hier insgesamt die Rede war. Begeistert nahm er zügig Bier.

Fred drehte den Kopf wieder zurück, lehnte sich im Stuhl zurück und ver­schränkte die Arme vor der Brust. Er sah Kurtchen ins Gesicht, wieder ver­schob er die Kiefer gegeneinander, jetzt ging es schon ins Kämpferische. "Ich hab; ich hab ihm schon hunderttausendmal angeboten, daß wir mal drü­ber reden. Es gibt Dinge, die kann man doch alleine gar nicht mehr beurtei­len. Ich hab 'Paare Mutanten' von wasweißich acht Leuten gegenlesen las­sen, weil du selber deine eigenen Fehler ja nicht siehst." Die Kombi aus Le­sen und Fehler erinnerte Kurtchen, wie er neulich in der Süddeutschen statt "Ponto-Witwe" "Porno-Witwe" gelesen hatte. Das kam davon, wenn die Leute keine Lust mehr hatten, Genitive zu verwenden. "Porno-Witwe kriti­siert Umgang mit RAF-Opfern", das wär' mit Pontos Wit­we nicht passiert. Vielleicht sollte er die Zeitung einfach abbe­stellen; wenn er Behin­derte un­terstützen wollte, ging das bei der Aktion Sor­genkind gewiß effekti­ver.

"Aber er will ja nicht", fuhr das Gernolf-Opfer ungerührt fort. "Ich meine, zugegeben, ich hab; ich hab da auch nicht immer... na ja...", er atmete ge­räuschvoll aus, schnaubte geradezu, "jedenfalls gehören da immer zwei dazu. Oder etwa nicht?"

Spätestens jetzt hätte Kurtchen fragen müssen, wozu; er tat einen Teufel. Und kratzte sich so fein am Sack, daß er's beinah selbst nicht merkte.

"Ist doch heute eh alles Cross-Over", verrätselte Fred die Lage nach Kräften weiter und verschluckte sich fast am Bier, "ich meine, komm, dieses ewige hin und Her von wegen meins und deins. Ich halte es da mit Brecht: Egal, wer wichst, Hauptsache, es kommt was."

Wichsen? dachte Kurtchen, der gerade den letzten Rest Überblick verlor und es außerdem ein bißchen taktlos fand, daß Petra ausgerechnet jetzt auf Fred und ihn zusteuerte. (wird fortgesetzt)

Kategorie: Kurtchen Sahne



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Briefe an die Leser

 Nicht zu fassen, »Spiegel TV«!

Als uns der Youtube-Algorithmus Dein Enthüllungsvideo »Rechtsextreme in der Wikingerszene« vorschlug, wären wir fast rückwärts vom Bärenfell gefallen: In der Wikingerszene gibt es wirklich Rechte? Diese mit Runen tätowierten Outdoorenthusiast/innen, die sich am Wochenende einfach mal unter sich auf ihren Mittelaltermärkten treffen, um einer im Nationalsozialismus erdichteten Geschichtsfantasie zu frönen, und die ihre Hakenkreuzketten und -tattoos gar nicht nazimäßig meinen, sondern halt irgendwie so, wie die Nazis gesagt haben, dass Hakenkreuze vor dem Nationalsozialismus benutzt wurden, die sollen wirklich anschlussfähig für Rechte sein? Als Nächstes erzählst Du uns noch, dass Spielplätze von Kindern unterwandert werden, dass auf Wacken ein paar Metalfans gesichtet wurden oder dass in Flugzeugcockpits häufig Pilot/innen anzutreffen sind!

Nur wenn Du versuchst, uns einzureden, dass die Spiegel-Büros von Redakteur/innen unterwandert sind, glauben Dir kein Wort mehr:

Deine Blauzähne von Titanic

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt