Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Respekt
Wissenschaft ist keineswegs bloß etwas, das feststellt, dass Margarine Fett enthält, und nun ist der Nachweis erbracht, dass Kinder, die zweisprachig aufwachsen, nicht nur eine Sprache mehr beherrschen und sich mit weiteren Sprachen leichter tun, sondern „sich später oft besser konzentrieren“ können (SZ 7.2., Wissen); so wie, wer Geld hat, meistens noch mehr dazu kriegt.
Warum wird derlei erforscht, warum steht das in der Zeitung? Sprachen können ist schön und nützlich, mehr muss dazu niemand wissen, und den Rest regelt die freie Konkurrenz, die wider Migranten und EU-Ausländerinnen und deren beängstigend polyglotte Brut die private trilinguale Grundschule vorhält. Denn geschenkt bekommt man nichts im Leben; und falls aber doch, ist das für die, die ausnahmsweise einmal leer ausgegangen sind und einen einsprachigen Haushalt führen, ein schöner Ansporn, wenn auch ein teurer, dafür sogar multipel sinnvoller.
Was unsere Eingangsfrage beantworten mag; wie die Logik der Verhältnisse nun einmal eine unerbittliche ist und sich von der Wiege bis kurz vor die Bahre beweist. Weshalb unsere Wirtschaftsliberalen, die darauf bestehen, dass Rente immer nur das sein kann, was vorher eingezahlt worden ist, funktional völlig recht haben: „Wer wenig verdient und eingezahlt hat und kräftig aufgestockt wird, erhält dann soviel wie andere, die doppelt soviel verdient haben. Ist das gerecht?“ fragt da im Leitartikel der Wirtschaftsredakteur, der sich freilich kein Stück daran stört, dass es sich in diesem Land Menschen gefallen lassen müssen, „aufgestockt“ zu werden, und zwar, läuft’s dumm und also nach dem Willen der SPD, mittels einer Respektlosigkeit namens „Respekt-Rente“, die etwa einer Friseurin nach einem halben Leben Haareschneiden knapp 1000 Euro bescheren soll. Ob das gerecht ist, fragen wir nicht, wir sind ja keine Wirtschaftsredakteure. (Sowenig wie Karikaturisten, die nebenan mit dem sozialdemokratischen Generalsekretär, der ins Füllhorn greift, das Ressentiment passend bebildern: Geld aus dem Fenster werfen für Leute, die nichts Anständiges gelernt haben, nicht einmal, dass laut Leitartikel und Ludwig Erhard „jeder Bürger zunächst für sich selbst verantwortlich ist“.)
„Doch wenn du Respekt nur einmal von weitem zu sehen kriegst, / hast du Glück gehabt.“ Flowerpornoes, 1995
Vielleicht hat die Friseurin aber Glück und ist Türkin, dann wird sich ihr Sohn einmal besser konzentrieren können, bestenfalls sogar ein „kleiner Weltbürger“ (SZ Wissen) werden, falls die Konkurrenz ihn lässt, denn das ist die Chancengesellschaft, die mit historischer Konsequenz mal wieder auf das Konto der SPD geht: Alle haben ihre Chance, und kann man sie nicht nutzen, wartet die Respekt-Rente, die so heißt, weil es ja unseren Respekt verdient, dass alle bei dem ganzen Unsinn mitmachen, ohne im Alter mehr davon zu haben als den Respekt ausgerechnet der SPD; und nämlich eine Respekt-Rente, die, indem man einen Heidenrespekt vor ihr entwickelt, ihrerseits dafür sorgt, dass man das mit den Chancen rechtzeitig verinnerlicht und, falls man nicht passend verheiratet ist, das Unpassende nach Möglichkeit passend macht. Und über das französische Kindermädchen dann doch einmal nachdenkt.
Aber was rede ich. Ich Neidhammel bin ja auch dagegen, Kinder allezeit „stark“ zu machen, denn nichts, wirklich gar nichts braucht die Welt weniger als Stärke.
Allenfalls deutsche Sozialdemokratie.
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