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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Nicht leben und nicht leben lassen

In Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern werden, auf die Einwohnerzahl gerechnet, mit Abstand die meisten Nazi-Straftaten begangen, also das, was amtlich unter „rechtsextremistische Gewalt“ fällt. Die für die Studie verantwortlich Ostbeauftrage der Bundesregierung will natürlich nicht sagen, daß nun alle Ostler Nazis wären, glaubt aber Spezifika erkannt zu haben, als das Aufwachsen in der „geschlossenen“, „homogenen“ DDR-Gesellschaft jene, die sie noch erlebt haben, fürs Fremde eher untauglich gemacht habe. Dann – zusammengefaßt – kam der Westen, und die Landschaften blühten viel weniger als erhofft, und was die große Freiheit sein sollte, war Konkurrenz und Arbeitslosigkeit, denn aus der Wärme des sozialistischen Wohnküchenkollektivs war es in die Kälte der freien Marktwirtschaft gegangen, und woran sich in Ostdeutschland mehr Menschen wärmen als im Westen, ist nicht allein ostalgische Erinnerung, sondern wieder das, woran sich Deklassierte eben wärmen, und hier ist es nicht die Religion.

Die Linkspartei, Sachwalterin ostdeutschen Lebensgefühls, ist mit der Studie nicht einverstanden: „Wenngleich nostalgische Attitüden ohne Zweifel mitschwingen, läßt sich daraus beim schlechtesten Willen keine Ursache für einen gesellschaftlichen Rechtsruck momentanen Ausmaßes konstruieren“, verriet die Vorsitzende Katja Kipping, und „momentanen Ausmaßes“, das hatten wir auch noch nicht gehört; und jedenfalls ist es jetzt so, daß die einen sagen, die DDR ist schuld, die anderen, die DDR ist nicht schuld.

In einem jener Bücher, die zum festen Bestandteil politischer Bildung in diesem Land gehören sollten (und es, versteht sich, genau darum nicht tun), in Wolfgang Pohrts „Das Jahr danach“ aus dem Jahr 1992, läßt sich unvergeßlich nachlesen, daß der Ausländerhaß in den Ostgebieten seinen Ursprung in der Projektion hat, mittels deren sich die DDR-Bevölkerung die Scham über die eigene Schamferne von 1989f. vom Hals schaffte: „In der DDR und an ihren Grenzen spielten sich Szenen an, bei denen die Ossis ihrem Namen alle Ehre und eine ziemlich schäbige Figur machten. Um Plastiktüten mit Reklamematerial, die von Lastautos herab in die Menge geworfen wurden, prügelte man sich fast, wie dies in Elendsvierteln der Dritten Welt die Kinder tun, oder wie es früher angeblich die Eingeborenen taten, wenn es Glasperlen gab. Die Gratisverteilung von Bananen und Kaffeepäckchen erinnerte stark an die Viehfütterung im Zoo. Auf jegliche Selbstachtung verzichteten Leute, die Verzicht wirklich nicht nötig hatten (…) Der Ossi Ende 1989 also, wie der Wessi ihn sah und wie er sich auf Grund seines vorangegangenen Verhaltens bald selber sehen mußte: ein gieriger Schnorrer, der sich gern erniedrigen und beschämen läßt“.

„Der Ossi als Revolutionsheld, der im Westen das große Wort schwingt und alles kostenlos haben will, zur Belohnung dafür, daß er so mutig für die Einheit des Vaterlandes kämpfte. Aber natürlich auch der Wessi als reicher Protz, der dem Ossi eine Banane und ein Bier spendiert. Die ganze Wiedervereinigung war eine Mischung aus Selbstdemütigung und wechselseitiger Demütigung.“ Pohrt, 1992

Und nun die Projektion, denn „mit den Ostdeutschen, wie sie waren, konnte keiner leben. Sie selber konnten es nicht, und die Westdeutschen konnten es auch nicht“, und dafür mußte nun einmal wer herhalten und büßen, für diesen Minderwertigkeitskompex, genauer: diese „wirkliche Minderwertigkeit, wie jeder Mensch sie sich selber vorwerfen muß, wenn er moralisch versagt hat“.

Also ist, wo man schon mit sich selbst nicht leben kann, aber schließlich leben muß, mit den Fidschis, Negern und Wirtschaftsflüchtlingen kein Auskommen möglich, diesen minderwertigen, unmoralischen, schnorrenden Menschen zweiter Klasse: sic, sic und dreimal sic. Für mich klingt’s plausibel, und wer heute noch nichts Besseres vorhat, der lese bitte gleich noch mal das ganze Buch. Nicht daß jemand auf die Idee kommt, die Kolonialmacht sei ausnahmsweise weniger schuldig, als es die Kolonisierten sind.




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Briefe an die Leser

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt