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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: In der Balance

Jetzt hat der Leser, hat die Leserin wieder ein Jahr Sonntagsfrühstück vor sich, und vielleicht sogar wieder eins ohne Sommerpause, und wer immer findet, dass ich mal eine hätte machen sollen, der wisse, dass mir meine Idiosynkrasien sogar im Schlaf erscheinen; und ich tatsächlich geträumt habe, ich hätte rote New Balance-Turnschuhe an, und zwei Gedanken parallel hatte: dass das gut aussieht und eigentlich nicht geht.

Dazu muss man wissen (und weiß man aber, wenn man allsonntäglich „dran“ geblieben ist), dass mir ein waches oder magsein paranoides Empfinden für zeitgenössische Uniformierungen eignet, weil nämlich die Individualität, um die die freie Welt und dieses wunderbar freie Land herumgebastelt sind, meistenteils darin besteht, dass alle ohne weiteres das machen, was alle machen, und das Nachmachen machen gerade die, die sich auf ihre Übersicht Gott weiß wieviel zugute halten.

In meinem Viertel tragen die Erwachsenen Turnschuhe. Das ist ein polemischer Satz, denn natürlich tragen nicht alle Erwachsenen Turnschuhe; viele tragen auch Wanderstiefel. Von den zehn oder allenfalls zwanzig Prozent, die weder Turn- noch Wanderschuhe tragen, trägt die Hälfte diese australischen Rinderzüchterboots, die ich selbst mal hatte und die in der Straßenbahn neulich eine komplette Wohlstandsfamilie auf dem gut versiegelten Boden hielt. (Es ist ja nicht richtiggehend „falsch“, wenn die Söhne so aussehen wie die Väter und die Mütter so aussehen wie die Töchter; aber ist es darum – richtig?)

„Ich lerne sehen – ja, ich fange an.“ Rilke, 1910

Das gilt auch für den Turnschuh, der einst Uniformferne ausdrücken sollte und heute, wenn der Augenschein etwas besagt, zur Uniform gehört. Junge Eltern, die ja heute nicht mehr ernstlich jung sind, tragen Jeans und New Balance (wg. nicht aus dem Sweatshop), falls sie nicht Wolfskin und Wanderstiefel tragen, die idealerweise „Renegade“ heißen; wie das evtl. Erstaunlichste an der Gegenwart ist, wie wenig sich die Leut’ für Ideologie interessieren noch dann, wenn sie ihnen mit dem Hintern ins Gesicht springt. Die jahrzehntelange Abrichtung darauf, Ideologie sei, wenn man für einen Stasi-Witz nach Bautzen muss, trägt dicke Früchte, wenn die Kälte des Kosmos aus Resilienz mal Beweglichkeit, SUV plus Waldkindergarten schlicht gar nicht mehr empfunden wird. Also stiefeln alle durch eine feindliche Welt, in der jeder allein und für sich selbst verantwortlich ist, weshalb Neonwesten und grelle Fahrradhelmüberzüge immer populärer werden, nicht obwohl, sondern weil sie so entsetzlich sind. („Aber Neon rettet doch Leben!“ Falsch: Was Neon rettet, ist bloß eine Schwundstufe, und nicht die erste.) Und falls sie nicht stiefeln, dann tragen sie Sport, denn Sport ist nicht Mord, sondern alles. (Deshalb fallen Chucks auch heraus, denn mit denen kann nur Sport treiben, wer nicht älter als zwölf ist. Klassiker werden Klassiker, wenn Ideologie aus ihnen verdunstet.)

Wiederum soll sich niemand grämen, weil ich anmaßenderweise dekretiere, welche Schuhe man tragen darf und welche nicht, der Einzelfall ist ja ganz uninteressant. Was ich bloß nicht verstehe, ist, dass nie mal wer was merkt; falls sie’s denn überhaupt merken wollen und nicht sogar eine Sehnsucht nach der Masse haben, nach dem Gleichschritt als rundum Neuer Balance, die ich nicht fanatisch nennen will, damit das Jahr nicht unversöhnlich anhebt. – „Versöhnlich“, ach was: Waldkindergärten sind neoliberale Nazischeiße (Draußen zuhause / Ein deutscher Junge friert nicht), und man soll als Passantin in Wanderstiefeln und Outdoorhose (mit Reflektorstreifen) nicht in sein dummes Telefon tippen und das füglich quengelnde Kind dabei mit „Alles gut“ abspeisen, weil ich sonst nämlich kotzen muss.

So. Bis gleich!




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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Huhu, »HNA« (»Hessische/Niedersächsische Allgemeine«)!

Mit großer Verblüffung lesen wir bei Dir in einem Testbericht: »Frischkäse ist kaum aus einem Haushalt in Deutschland wegzudenken.«

Och, Menno! Warum denn nicht? Und wenn wir uns nun ganz doll anstrengen? Wollen wir es denn, HNA, einmal gemeinsam versuchen? Also: Augen schließen, konzentrieren und – Achtung: hui! – weg damit! Uuuund: Futschikato! Einfach aus dem eigenen Haushalt weggedacht. Und war doch überhaupt nicht schlimm, oder?

Es dankt für die erfolgreiche Zusammenarbeit und hofft, einen kleinen Denkanstoß gegeben zu haben, wenn nicht gar einen Wegdenkanstoß: Titanic

 Keine Übertreibung, Mathias Richling,

sei die Behauptung, dass die Ampel »einen desaströsen Eindruck bei jedermann« hinterlasse, denn in den vielen Jahren Ihrer Karriere, so schilderten Sie’s den Stuttgarter Nachrichten, hätten Sie es noch nie erlebt, »dass ohne jegliche pointierte Bemerkung allein die bloße Nennung des Namens Ricarda Lang ein brüllendes Gelächter auslöst«.

Aber was bedeutet das? »Das bedeutet ja aber, zu Mitgliedern der aktuellen Bundesregierung muss man sich nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen.« Nun beruhigt uns einerseits, dass Ihr Publikum, das sich an Ihren Parodien von Helmut Kohl und Edmund Stoiber erfreut, wohl immerhin weiß, wer Ricarda Lang ist. Als beunruhigend empfinden wir hingegen, dass offenbar Sie nicht wissen, dass Lang gar kein Mitglied der aktuellen Bundesregierung ist.

Muss sich dazu nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen: Titanic

 Sie, Romancier Robert Habeck,

Sie, Romancier Robert Habeck,

nehmen Ihren Nebenjob als Wirtschaftsminister wohl sehr ernst! So ernst, dass Sie durch eine Neuauflage Ihres zusammen mit Ihrer Ehefrau verfassten Romans »Der Tag, an dem ich meinen toten Mann traf« versuchen, fast im Alleingang dem darniederliegenden Literaturmarkt auf die Sprünge zu helfen. Könnten Sie sich als Nächstes das Zeitschriftensterben vorknöpfen?

Fragt Titanic

 Ganz, ganz sicher, unbekannter Ingenieur aus Mittelsachsen,

dass Du Deine Verteidigungsstrategie nicht überdenken willst? Unter uns, es klingt schon heftig, was Dir so alles vorgeworfen wird: Nach einem Crash sollst Du einem anderen Verkehrsteilnehmer gegenüber handgreiflich geworden sein, nur um dann Reißaus zu nehmen, als der Dir mit der Polizei kommen wollte.

Die beim wackeren Rückzug geäußerten Schmähungen, für die Du nun blechen sollst, wolltest Du vor dem Amtsgericht Freiberg dann aber doch nicht auf Dir sitzen lassen. Weder »Judensau« noch »Heil Hitler« willst Du gerufen haben, sondern lediglich »Du Sau« und »Fei bitter«. Magst Du das nicht noch mal mit Deinem Rechtsbeistand durchsprechen? Hast Du im fraglichen Moment nicht vielleicht doch eher Deinen Unmut über das wenig höfische Verhalten des anderen Verkehrsteilnehmers (»Kein Ritter!«) geäußert, hattest Deinen im selben Moment beschlossenen Abschied von den sozialen Medien (»Bye, Twitter!«) im Sinn, oder hast gar Deiner verspäteten Freude über die olympische Bronzemedaille des deutschen Ruder-Achters von 1936 (»Geil, Dritter!«) Ausdruck verliehen?

Nein? Du bleibst dabei? Und würdest dafür sogar ins Gefängnis gehen (»Fein, Gitter!«)?

Davor hat fast schon wieder Respekt: Titanic

 Damit hast Du nicht gerechnet, »Zeit online«!

Als Du fragtest: »Wie gut sind Sie in Mathe?«, wolltest Du uns da wieder einmal für dumm verkaufen? Logisch wissen wir, dass bei dieser einzigen Aufgabe, die Du uns gestellt hast (Z+), erstens der zweite Summand und zweitens der Mehrwert fehlt.

Bitte nachbessern: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Süße Erkenntnis

Für jemanden, der Pfirsich liebt, aber Maracuja hasst, hält die Welt viele Enttäuschungen bereit.

Karl Franz

 3:6, 6:7, 0:6

Der Volontär in der Konferenz der Sportredaktion auf die Bitte, seine Story in drei Sätzen zu erzählen.

Ronnie Zumbühl

 Dilemma

Zum Einschlafen Lämmer zählen und sich täglich über einen neuen Rekord freuen.

Michael Höfler

 Nachwuchs

Den werdenden Eltern, die es genau mögen, empfehle ich meinen Babynamensvorschlag: Dean Norman.

Alice Brücher-Herpel

 Hellseherisch

Morgen ist einfach nicht mein Tag.

Theo Matthies

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
29.11.2023 Stuttgart, Theaterhaus Max Goldt
30.11.2023 Erfurt, Franz Mehlhose Max Goldt
30.11.2023 Friedrichsdorf, Forum Friedrichsdorf Pit Knorr & Die Eiligen Drei Könige
01.12.2023 Hamburg, Centralkomitee Hauck & Bauer