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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Die Idiotie des Stadtlebens

Gespräche mit meinem Freund K. sind nicht nur deshalb so ergiebig, weil er mein Freund ist, sondern auch, weil er gewissermaßen auf der anderen Seite des Gartenzauns steht: bei einer Aktiengesellschaft beschäftigt, belastbarer Glaube an die freiheitlich-demokratische Grundordnung, eventuell sogar Merkelwähler. (Daran sieht man, ein wie guter Freund es ist.) Wenn wir also über die Kinder sprechen und bei Bologna landen, dann weiß ich alter Phrasenmonteur von „Zurichtung“ und er, daß bayerische Grundschullehrer(innen) eine Höchstquote für die Gymnasialempfehlung haben und daß, um diese Quote nicht zu gefährden, dann eben auch mal etwas strenger benotet wird, was dann im Einzelfall halt Pech (Realschule) ist.

Er, als altgedienter Familienvater, ist sozusagen der Praktiker, ich der Theoretiker, und eben das ist, im Sinne von Yin und Yang, einerseits schön, andererseits schrecklich, wenn sich die Horrorgemälde, die man berufsmäßig so an die Wand wirft, als reine Wirklichkeit entpuppen, bestätigt vom sozusagen Klassenfeind. Seine Firma, berichtet K., überlege, ein Coachingprogramm für Universitätsabgänger einzurichten, weil diese, seit Bologna, tatsächlich über absolut keine Basisfähigkeiten mehr verfügten: eigenes Urteil, selbständiges Handeln, Ausdrucksfähigkeit, alles bei null oder knapp darüber und jedenfalls selbst für die, die die ganze Schweinerei doch unterstützt oder mindestens gebilligt haben, ein grandioser Schuß ins Knie. Sie wollten Idioten, aber nicht solche.

„Was sind schon Städte, gebaut / Ohne die Weisheit des Volkes?“ Brecht, 1953

Auch ist mein Freund ein gutes Beispiel für die sog. bedrohte Mittelschicht, die es nämlich wirklich ist, jedenfalls in einer Großstadt mit legendären Schweinemieten. K., Gutverdiener, Frau im öffentlichen Dienst, zwei Kinder, kommt Monat für Monat bei Null raus, Rücklagenbildung ausgeschlossen, eher im Gegenteil. Schön, löcke ich vorsichtig, man müsse auch nicht im Trendviertel wohnen. Nein, bestätigt K., müsse man nicht, er habe im Grunde auch nichts davon und schaue im Netz schon immer Wohnungsanzeigen, aber jottweedee kosten vier Zimmer auch schon fünfzehnhundert, das lohne den Umzug gar nicht, und dann weiß ich, daß ich gelesen habe, daß selbst im dortigen Kleine-Leute-Viertel die Nettokaltmieten schon bei sagenhaften 12 Euro angelangt sind und die Investoren bzw. „Sanierer“ (Polt) bereits Schlange stehen, wegen Umwandlung in Luxusappartements usw.; und dann haben wir gemeinsam den ernstgemeinten Einfall, aufs Land zu ziehen und die ganzen Herrschaften in ihren Altbauten und Szenevierteln verrotten zu lassen, auf daß die Klassengesellschaft (das ist jetzt wieder mein Einsatz) nicht mehr nur innerstädtisch, sondern in größerem geographischem Rahmen Gestalt gewinne: Während die Reichen, Schönen und sonstwie Doofen ihre Metropolen für sich haben und sie in aller Seelenruhe (sofern „Seele“ da nicht das falsche Wort ist) zu eben dem „Hochpreis-Slum“ machen können, das der New Yorker SZ-Korrespondent am Hudson bereits ausgemacht hat, gehen wir nach wasweißich Lüneburg, ziehen die Kinder groß und machen es uns gemütlich. Sollen sie doch unter sich bleiben und sich in ihren scheiß Kreativ-Eliteschulen die Ellbogen ins Gesicht drücken, im Café für den Cappuccino sechs Euro bezahlen und für einen Trendkinderwagen 1000, das geht dann voll in Ordnung und uns nichts mehr an.

Im hessischen Werra-Meißner-Kreis kostet der Quadratmeter 4 Euro. Mit ein bißchen Glück gibt’s da sogar eine Gesamtschule.




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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt