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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Die Blumen des Bösen

Eigentlich war diese Kolumne längst fertig, in der Wochenmitte in fünfzehn Minuten heruntergeklopft und des Inhalts, die Alice Salomon Hochschule Berlin, die Gomringers Avenidas-Gedicht nun wg. Sexismus von ihrem Gebäude pinseln lassen wird, sei schon darum verrückt, weil „sie nun wirklich alle Klischeevorstellungen, die man von Hier-werde-ich-aber-diskriminiert-Dödeln und -Dödelinnen haben kann, so sturheil bestätigt, daß man es nur einen Bärinnendienst nennen kann“, und weil sie mich zwinge, mich momentweise an die Seite Springers und aller zu verfügen, die vor der Korrektheitsdiktatur der allzeit Beleidigten warnen. Unter meine Zeilen setzte ich noch ein eng an Gomringer angelehntes Spottgedicht, und gut war es.

Nun ist es selten verkehrt, noch einmal drüber zu schlafen, und am nächsten Tag stolperte ich über Margarete Stokowski, die ich zwar mal eine „metropolitane Plappertrine“ genannt habe, die aber einen unbornierten Feminismus vertritt und in der Sache auf die Münchner Literaturprofessorin Vinken verwies: Die hatte im Deutschlandfunk von einem „sehr bewundernswürdigen Gedicht“ gesprochen, das aber nun mal sein Publikum habe bzw. halt nicht: „Das scheint mir Symptom für eine Welt zu sein, … in der die Frauen eben nicht mehr bewundert oder verehrt, sondern eher ausgenutzt, angemacht, ge- und verbraucht werden. Das hat mit dem Gedicht eigentlich weniger zu tun. Es ist trostlos, daß wir offensichtlich in einer Welt leben, in der solche Interpretationen … zum Zuge kommen. Das ist bedenklich, finde ich.“ Und fand ich ja neulich ebenfalls.

„avenidas / avenidas y flores // flores / flores y mujeres // avenidas / avenidas y mujeres // avenidas y flores y mujeres y / un admirador y // estúpidos“ Gomringer feat. Gärtner, 2018

Das soll andererseits nicht hindern, die Argumente wider das (öffentliche) Poem für mäßig instruktiv zu halten. Das eine lautet: Das Gedicht formuliere einen männlichen Blick auf Frauen und mache sie zu Objekten. Das zweite fand ich auf der Seite der Feministin Luise F. Pusch, die sich am reihenden „und“ rieb: „Gomringers Gedicht aus dem Jahre 1952 stammt aus einer Zeit, da wir in den Illustrierten noch Sätze wie den folgenden lesen konnten: ,Er (irgendein Playboy, Filmstar oder Prinz) liebt rassige Pferde, schnelle Autos und schöne Frauen’. Nach Jahrzehnten genervter Kritik von Feministinnen sind solche Sätze, die uns auf derselben Ebene wie Pferde und Autos ansiedeln, seltener geworden. Es sei denn, sie werden auf Hausfassaden auch noch verewigt.“

Dazu würde mir ja nun einfallen, daß schlechthin jeder Blick etwas zum Objekt macht (des Blickes nämlich) und ein Liebesgedicht oder ein einschlägiger Popsong ohne ein (und sei’s verhohlenes) Objekt der Sehnsucht gar nicht auskommen. (Sarah Kirsch: „Immer wollen dich meine Augen“.) Zweitens lassen sich die Reihen Pferde – Autos – Frauen und Straßen – Blumen – Frauen nicht gleichsetzen, wie ein Illustriertenartikel (Achtung, Textsorte!) nun einmal kein Gedicht ist, welches dazu neigt, eine Sinnebene mehr zu haben: Wenn es eine Chiffre für (männliche?) Sehnsucht gibt, dann ist es die Straße, und wenn es an dieser Straße Blumen (Schönheit) hat, sind wir eher bei Eichendorff als bei Weinstein. Dann Auftritt der Frauen, die sowenig „Blumen“ sein müssen wie, um in Puschs Analogie zu bleiben, Autos: Es gibt auf und an der Straße Blumen und Frauen, wie es Autos und Frauen gibt. – Freilich ist es nicht verboten, vielleicht sogar erwünscht, die Reihung als Griff ins Arsenal zu lesen, in dem Frauen schön sind wie Blumen, und „Blumen sind zu nichts nütze, aber schön sind sie – Zierpflanzen eben, keine Nutzpflanzen!“ (Pusch) – aber wenn Frauen in Gedichten nur als Nutzpflanzen vorkommen dürfen, sind sie dann nicht erst recht Objekte, mindestens für den Mähdrescher? 

„avenidas y flores y mujeres y / un admirador“ – wär’s eine Interpretationsübung, ich würde vorschlagen: Sehnsucht und Schönheit und Frauen und / einer, dem das Herz von all dem übergeht. So ein Minnesänger war ich mit 27 freilich auch. – Zum guten (oder nicht so guten) Schluß hat Kollegin Stokowski noch etwas sehr Kluges gesagt: „Ganz, ganz vielleicht könnte das mal eine Debatte sein, in der am Ende rauskommt, daß Leute Dinge unterschiedlich wahrnehmen, ohne daß jemand ,politische Korrektheit’ ruft, denn sobald dieser Begriff fällt, kann man meistens direkt schlafen gehen, ist gesünder.“

Danke sehr. Ich werd’ noch zum admirador.




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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg