Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Das regierende Palaver
Aus Gründen mal wieder bei den „lieben“ Kollegen nachgeschlagen, und ach, es lohnte nicht. Fleischhauer über Trump: „In den Zeitungen steht, was für eine Gefahr für den Weltfrieden ein Wahlsieg des amerikanischen Milliardärs bedeuten würde. Man kann dort jeden Tag lesen, wie engstirnig, rückschrittlich und bigott seine Vorstellungen seien. Ich verstehe die Kritik nicht ganz. Ich habe beim Lesen nämlich eine Entdeckung gemacht: Vieles, was Trump fordert, findet sich so oder so ähnlich auch bei der Linkspartei und ihren publizistischen Bannerträgern.“ Jasper über die AfD als „Dämon“: „Die Extremismusforschung hat es seit Jahren mit einem Phänomen zu tun, das ihr die einfache Zuordnung rechtsradikaler Einstellungen erschwert … – abgesehen davon, ist ,Diktaturanfälligkeit’ auch ein Merkmal für Linksextremisten.“
Und schließlich aber Diez auf „Spon“, der zwar nicht das beste Foto, aber die beste Meinung hat: „Wir müssen mal wieder über Talkshows reden. Denn was da seit Monaten passiert, fühlt sich langsam an wie eine Art stiller Putsch von Redakteuren, die offensichtlich im ganzen Quoten-Quatsch ihren Kopf verloren haben“ und nämlich ständig die AfD einladen. „Wie ist es sonst zu erklären, daß zum Beispiel bei einem Thema wie Integration bei Anne Will ausgerechnet Frauke Petry sitzt? Da könnte man genauso einen Pyromanen in eine Streichholzfabrik einladen“ oder einen CDU-Politiker zur griechischen Schuldenkrise? „Es ist klar, was Frauke Petry sagen wird, es ist nicht konstruktiv, es ist polemisch, es vergiftet das Klima, es macht die Diskussion kaputt – und vor allem, es wurde schon 1000mal gesagt, von ihr und ihren AfD-Kollegen. Denn sie sitzen ja schon überall, in den Parlamentssesseln der deutschen Talkshowrepublik, im von ihnen so gehaßten öffentlich-rechtlichen Fernsehen, das ihnen wieder und wieder die Möglichkeit gibt, ihre Vorurteile auszubreiten.“
„Was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig.“ Hegel, 1820
Gut gebrüllt, aber kurz gesprungen, denn Fernsehen, Verzeihung, ist ein rechtes Ding, in dem alles sowieso schon 1000 und 100 000mal gesagt worden ist, und im Talkfernsehen ist „Meinungsbildung“ auch dann eine Täuschung, wenn links von Petry was auch immer verhandelt wird. „Wie das Palaver uns regiert“ untertitelte 2004 Walter van Rossum sein Buch „Meine Abende mit Sabine Christiansen“, in dem er dargelegte, wie bei Dame Christiansen das Neoliberaldeutschland heutigen Zuschnitts propagandistische Vorbereitung fand: „Leitmotivisch geht es jeden Sonntag darum, Deutschland erst in Gefahr zu wiegen, um es anschließend zu retten“, und wer eine Talkshow sieht, ob als „politisch“ ausgewiesen oder nicht, der will keine Aufklärung, der will Unterhaltung, denn Aufklärung ist anstrengend, und am Montag muß man wieder ins Büro.
„Die Talk-Republik, geboren 1990 als Nach-Wende-Erfindung im Gedanken an den dauernd tagenden Großen Runden Tisch, ist an ihr Ende gekommen – es ist Zeit für eine neue Diskurs-Republik Deutschland“ (Diez), weil das Talkwesen im öffentlich-rechtliche Fernsehen den „gesellschaftlichen Rechtsrutsch“ begleite und dadurch befördere. Aber das ist ja nun einmal die Aufgabe von Fernsehen als Institution: begleiten und befördern, affirmieren durch abbilden, denn Fernsehen, die Blödmaschine, ist nicht Diskurs, sondern die Nachricht selbst: daß alles in der Ordnung sei. Frauke Petry kann eine Diskussion gar nicht kaputt machen, die sich ohnehin bloß simuliert, sie kann sie allenfalls karikieren, und patriotische Auftritte wie der des Pg. Höcke geistern dann als „bizarr“ durch dieselben Medien, die von Bizarrerien doch nicht genug kriegen können.
Die Diskurs-Republik-Deutschland errichten hieße: den Talkshow-Irrsinn beenden. Den Krimi-Irrsinn beenden. Den Quiz-, Pilcher-, Sport- und Show-Irrsinn beenden. Das alles aber hieße, das Fernsehen beenden. Und damit aber, traun, die Republik.
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