Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Das Pack
Nun ist die Machtergreifung in Österreich fürs erste ausgeblieben, und trotzdem stand da diese Frau im Fernsehen, auf irgendeinem FPÖ-Bürgerfest in einem, wie der Kommentar erschüttert versicherte, ehedem tiefroten Wiener Bezirk, und sagte: Natürlich wähle sie FPÖ, weil, sie beziehe 834 Euro Mindestpension, und den Ausländern werde alles hinten und vorne reingeschoben. Auch ein Mann war im Fernsehen, auf demselben Bürgerfest, und er wurde noch bündiger: Das Pack müsse raus.
Hätte die Mindestpensionistin u. U. etwas weniger gegen das rundum versorgte Pack, wenn ihre Pension vielleicht nicht 834, sondern 1834 Euro betrüge? Wohlstand schützt vor Haß nicht, das ist wahr, aber er verringert die Anfälligkeit dafür, wenigstens dann, wenn dieser Wohlstand als sicher wahrgenommen wird. (Der deutsche Büro-Akademiker in den besten Jahren, der, bislang in dieser Richtung ganz unauffällig, sich plötzlich ärgert, daß für die Minderheiten „alles“ getan werde, für ihn aber „gar nichts“, weiß, daß ihn vom sozialen Tod genau eine Kündigung trennt.)
Darüber wird aber nicht gesprochen, oder nur hintenrum: „Mehr als zwei Drittel der Arbeiter, die in Wien immer Rot wählten, haben diesmal für den FPÖ-Mann gestimmt, der Ausländern die Sozialhilfe kürzen … will … Niedrige Einkommen, niedrige Akademikerquote, zehn Stiegen, 170 Wohnungen, und praktisch jeder hier fühlt sich abgehängt. Vergessen. Zu viele Ausländer im Haus, und die Stromrechnung ist auch viel zu teuer geworden, sagen sie gern. Die FPÖ ist hier die neue Partei der kleinen Leute“ (SZ). Daß vom Faschismus schweigen muß, wer vom Kapitalismus nicht reden will, ist als Weisheit so aktuell wie vergessen, denn wäre sie es nicht, würde ja mal jemand fragen, warum das Hand in Hand geht: daß die Reichen reicher und die Armen ärmer und die Faschisten, von Trump bis Orbán, von Paris bis Wien, immer mehr werden. Sicher, da fühlen sich Leute „abgehängt“, aber von wem? Da hat der Mittelstand Abstiegsängste, aber daran sind, Willkommenskultur hin oder her, viel eher die ausländischen Konkurrenten schuld als eine Gesellschaft, die jene aussortiert, die dem BIP nicht dienlich sind. (Kinder, lese ich gestern in der Morgenzeitung, müssen unbedingt mehrsprachig aufwachsen, weil das hirnentwicklungsmäßig günstig ist; und weil man den Immigranten und ihrer bilingulalen Brut gegenüber auch nicht ins Hintertreffen geraten darf. Das steht da nicht, aber das ist gemeint.)
„Es gibt keinen Lügner, der nicht in seiner Lüge bis zu einem gewissen Grad wahr ist.“ Jakob Wassermann, 1931
Daß das nach wie vor und immer wieder funktioniert: die Schwachen gegen die Schwächeren aufzuhetzen, damit die Starken ihre Ruhe haben. Das Ausländerpack muß raus, aber der Herr Direktor darf bleiben, und daß es aber andersherum sein müßte, wird nicht einmal mehr gedacht, denn schon die Möglichkeit von Kritik besteht nicht mehr, wo Wünsche ausschließlich welche sind, die sich in stetig wachsender Besinnungslosigkeit im Mediamarkt erfüllen lassen.
Die G7-Staaten wollen, meldet die Tagesschau, „das globale Wachstum beleben“. Für die Verlierer dieses Belebungsprozesses zwischen Paris und Manila stehen die sog. Rechtspopulisten bereit, über die dann bei Maybritt Illner so ausdauernd mit dem Kopf gewackelt wird, bis garantiert niemand mehr auf dumme, nämlich die richtigen Gedanken kommt, die dem Herrn Direktor, wo immer er sitze, nämlich ungleich unliebsamer sind als ein paar diskriminierte, deportierte oder totgeschlagene Fremde.
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