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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Bürger, lasst das Motzen sein

Ich reiße mich nicht drum; ich tu’s wirklich nicht. Denn nichts ist undankbarer als der Eintritt in eine Diskussion zur sog. Identitätspolitik, schon darum nicht, weil die Gefahr so groß ist, Beifall aus der falschen Ecke zu kriegen.

Fangen wir also anders an: Die umstrittene Kolumne der Taz-Autor_in Hengameh Yaghoobifarah endet nicht mit einem bang, sondern einem Winseln. Die Qualifikation von Polizisten und Polizistinnen als Müll wäre etwas, was Profis keiner Praktikantin durchgehen ließen, denn die Kunst – und Satire, die mehr sein will als Schülerzeitung, soll nach Kunst immerhin riechen –  bestünde ja darin, es zu meinen, aber nicht zu sagen (Uneigentlichkeit!) oder jedenfalls so zu sagen, dass es was zu lachen oder zu staunen gibt. Dass jemand als Müll arbeiten kann, erinnert eher an den Pausenhof der Unterstufe oder an Erkan & Stefan, die diesen Pausenhof parodierten, und da ist die Eigentlichkeit ja schon verlassen.

Dass auch vorm Erreichen der Deponie das Wie dem Was sich unterordnet, macht den Schulhofeindruck nicht eben schwächer: „Das Problem löst sich nicht dadurch, dass ein Cop Uniform gegen Birkenstocks und Leinenhosen umtauscht“, recte: eintauscht, wir sind ja nicht im Laden. „Auch der Dienstleistungsbereich sieht schwierig aus“, nee: Auch im Dienstleistungsbereich sieht es schwierig aus, aber we’re talking Taz, nicht wahr, und also ist der Einwand vielleicht auch redundant; und sowieso der des alten weißen Mannes, und das ist, Achtung, nicht polemisch gemeint.

Denn der Einwand gegen die Pointe als unbeholfene, primitive ist ein (füglicher) Einwand bürgerlicher Ästhetik – wo nicht ästhetizistischer Bürgerlichkeit –, und wie die Pointe gerade durch ihre Beschränktheit triftig wird, als sozusagen Punk, hat der kluge Patrick Bahners via Twitter ausgeführt: „Die Expolizisten irgendwie als Personen zu behandeln wäre in der fiktiven Welt des Kolumnentextes zu gefährlich. Was gebietet die Gefahrenabwehr? Sie nicht mehr als (nützliche) Personen zu behandeln, sondern als (unbrauchbare) Dinge. Eine maßlose Pointe, die es auf die Herstellung moralischer Gerechtigkeit abgesehen hat. Wie die Opfer von Polizeigewalt verdinglicht werden und jeder Unschuldige Opfer der Polizei werden kann, solange diese strukturelle Risiken des Gewaltmissbrauchs leugnet, so gibt es Sicherheit vor der so beschriebenen Polizei nur, wenn auch die Polizisten Verdinglichung erfahren.“

„Es ist mit dem Witz wie mit der Musik, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man.“ Lichtenberg, D 220

Das Interessante – sagen wir ruhig: Schöne – ist nun, dass diese Interpretation vorderhand ohne Gedanken darüber auskommt, „wer da spricht“; ob die Autor_in nun, als Angehörige einer Minderheit, das besondere Recht habe, besonders wütend zu sein, oder ob sie, in Wahrnehmung dieses Rechts, nicht die Klassensituation eines ungebildeten Provinzbullen, die Anstandsregeln, ja das Menschenrecht insgesamt verkenne; alles Argumente, wie sie in der Taz voller Leidenschaft hin- und hergehen. Kollegin Stokowski hat in anderem Zusammenhang darum gebeten, nicht immer alles zwanghaft unter „politischer Korrektheit“ zu verhandeln, und hier ist es tatsächlich viel einfacher und ergiebiger, bloß auf den Text zu schauen, der, als ästhetisch und politisch antibürgerlicher (Bürgertum = Kunst + Polizei), seine Wahrheit in sich trägt und dessen Grobheit, möglich wär’s, dann auch die Feinheit desjenigen denunziert, der mit der Polizei noch nie im Leben ein Problem hatte.

PS. Und apropos Minderheiten/wie Müll behandelt werden: Die Corona-Feiern in Göttingen, in deren Verlauf irgendwelche feierwütigen Zigeuner einen neuen Infektionsherd gebildet hatten und daraufhin von der Polizei zugeführt wurden, haben, berichten u.a. der „Tagesspiegel“ und das ARD-Magazin „Panorama“, gar nicht stattgefunden. Die Buchhändlerin, bei der ich eben kaufte, wusste es, ihre Kundin wollte es nicht glauben: „Ich hab ja bestimmt keine Vorurteile, aber …“ Bürgertum = Polizei + Kunst; oder wenigstens Cecilia Ahern.




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Briefe an die Leser

 Whaaaaaat, Michael Kretschmer?

Whaaaaaat, Michael Kretschmer?

»Tausende Bürgergeldempfänger könnten arbeiten, verweigern dies jedoch und bekommen so Geld vom Staat, für das die Steuerzahler hart arbeiten.«

Oha, Tausende Menschen? Das ist natürlich skandalös! Das sind ja Zahlen im vierstelligen Bereich. Wie soll sich ein Land wie Deutschland mit einer Einwohnerzahl im lediglich achtstelligen Bereich (das ist nur doppelt so viel!) das leisten können? Unter Umständen sind das ungefähr so viele Menschen, wie in Großröhrsdorf wohnen! Ein Glück, dass Sie, Kretschmer, Geld vom Staat bekommen, um solche Zahlen fachmännisch für uns einzuordnen!

Zählt zur Sicherheit noch mal an den eigenen Fingern nach:

Ihre Titanic

 Puh, »Frankfurter Rundschau«!

»Während im Süden Europas weiter enorme Hitze herrscht, sorgt ein kurzweiliges Tief in Deutschland für eine Abkühlung.« Es bleibt aber dabei: Die Tiefs sorgen für Abkühlung, und für die Kurzweil sorgen Deine Sprachkapriolen. Nicht durcheinanderbringen!

Warm grüßt Titanic

 Hoffentlich klappt’s, Künstlerin Marina Abramović (77)!

Sie wollen gern mindestens 103 Jahre alt werden. Alt zu sein sei in der Kultur des Balkans, im Gegensatz zu der Nordamerikas, etwas Großartiges. Sie seien »neugierig wie eine Fünfjährige« und wollen noch schwarze Löcher und Außerirdische sehen.

Wir wollen auch, dass Sie Außerirdische sehen bzw. dass die Außerirdischen Sie sehen, Abramović. Wenn Sie die Extraterrestrischen, die, wie wir aus diversen Blockbuster-Filmen wissen, nichts Gutes im Schilde führen, mit einer Ihrer verstörenden Performances voll Nacktheit, Grenzüberschreitung und Selbstgefährdung begrüßen, wenden sie sich vielleicht doch von uns ab.

Kommt stets in Frieden: Titanic

 Liebes Werbeplakat in Freiburg!

»Nicht zu wählen, weil man nicht weiß, was, ist, wie keinen Film zu schauen, weil man sich nicht entscheiden kann«, trötest Du am Bahnhof allen noch so unwilligen Nichtwähler/innen entgegen. Jetzt stellt sich natürlich die alles entscheidende Frage: Ist ein versauter Filmabend, bei dem man am Ende aus Langeweile vielleicht sogar Monopoly spielen muss, genauso schlimm wie die Machtübernahme einer neofaschistischen Diktatur?

Fragt Popcorn mampfend Titanic

 U sure, Jürgen Klopp?

U sure, Jürgen Klopp?

Nachdem Sie Ihren Posten beim FC Liverpool niedergelegt haben, halten Sie sich in Sachen Zukunftspläne bedeckt. Nur so viel: »Ich werde irgendwas arbeiten. Ich bin zu jung, um nur noch Padel-Tennis und Enkelkinder zu machen.«

Keine Ahnung, wie Sie sich den typischen Alltag im Ruhestand so vorstellen, Kloppo. Doch wenn Menschen fortgeschrittenen Alters Nachwuchs zeugen, heißt das Ergebnis – zumindest in den meisten Fällen – »Kinder« und nicht »Enkelkinder«.

Schwant Böses: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Abschied

Juckeljuckeljuckel,
Das Meer liegt hinterm Buckel,
Dort vorne, da ist Dover,
Da ist die Reise over.

Gunnar Homann

 Ach, übrigens,

der Typ, mit dem ich in jedem Gespräch alle drei Minuten für mindestens fünf Minuten zu einem Nebenthema abschweife: Ich glaube, wir sind jetzt exkursiv miteinander.

Loreen Bauer

 Wahre Männer

Auto verkauft, weil das gute Olivenöl zu teuer geworden ist.

Uwe Becker

 Treehuggers

Bei aller Liebe zum Veganismus: Plant Parenthood geht mir zu weit.

Sebastian Maschuw

 Steinzeitmythen

Fred Feuerstein hat nie im Steinbruch gearbeitet, er war Rhetoriker! Er hat vor 10 000 Jahren zum Beispiel den Whataboutism erfunden und zu seiner Losung erhoben: »Ja, aber … aber du!«

Alexander Grupe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

  • 27.08.: Bernd Eilert schreibt in der FAZ über den französischen Maler Marcel Bascoulard.
  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

  • 29.01.:

    Ein Nachruf auf Anna Poth von Christian Y. Schmidt im ND.

  • 13.04.:

    HR2 Kultur über eine TITANIC-Lesung mit Katinka Buddenkotte im Club Voltaire.

Titanic unterwegs
10.09.2024 Frankfurt am Main, Club Voltaire »TITANIC-Peak-Preview« mit Stargast Miriam Wurster
13.09.2024 Stade, Schwedenspeicher Ella Carina Werner
14.09.2024 Frankfurt, Museum für Komische Kunst Bernd Pfarr: »Knochenzart«
16.09.2024 Wiedensahl, Wilhelm-Busch-Geburtshaus Hilke Raddatz mit Tillmann Prüfer