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Gärtners kritisches Ostersonntagsfrühstück: Luft, Luft

Mit irgendwas muss man die Zeitung in monothematischen Zeiten ja vollmachen, und viel ist zu lesen darüber, dass die Leute jetzt Gelegenheit haben, zur Besinnung zu kommen, zu merken, „was wirklich zählt“. Glaube ich freilich keine Sekunde dran. Denn wahrlich, ich sage Euch: Kaum ist der Spuk vorbei, geht es weiter wie immer, ja holen die Leute alles nach, was sie betr. Konsum und Remmidemmi unterlassen mussten, und im SZ-Magazin, dem Zentralorgan für Besinnung und Konsumverzicht, durfte Avon- oder wenigstens Lebensberaterin Johanna Adorján die Zentralfrage der Zeit beantworten: ob es okay sei, „zur Demonstration von Fridays for Future zu gehen und im Sommer trotzdem drei Wochen lang nach Spanien zu fliegen“.

Das sind so Fragen, und das sind so die Antworten: „Individuelle Anstrengungen werden den Klimawandel nicht aufhalten, es braucht einen Systemwandel. Die Politik muss im großen Stil handeln. Zugfahren muss viel billiger werden als Fliegen, und alles, was schädlich ist, muss enorm teuer sein. Im Moment wird versucht, dem Einzelnen zuzuschieben, die Welt zu retten. Das ist eine sehr faule und verheerende Haltung“, nämlich laut Adorjáns Gewährsleuten Slavoj Žižek und Naomi Klein eine kapitalistisch-konsumistische. „Wie aber verändert man das System? Die Politik muss begreifen, dass große Teile der Bevölkerung (= ihrer Wähler) Veränderung wollen. Deshalb ist es wichtig, seine Haltung öffentlich zu zeigen. Ob man fliegt oder nicht.“

Es wird Johannes S. aus Münster und die übrige Kundschaft freuen zu hören, dass sie, solang es billig ist, fliegen dürfen, was das Zeug hält, solange sie hin wieder dafür demonstrieren, dass Fliegen sehr viel teurer wird. Ihr demonstrativ geäußerter Wille ist nämlich wichtiger, als freiwillig das zu lassen, wozu sie doch gezwungen sein wollen, falls sie das denn wirklich wollen und wir uns das überhaupt leisten können. Die Lufthansa, sagt die Lufthansa, verliert, solange die Flotte geparkt ist, jede Stunde eine Million Euro. Diskussionen um die Verteuerung des Flugverkehrs wird es also zunächst noch weniger geben als ohnehin schon, was natürlich im Doppelsinn günstig ist, denn nicht zu fliegen ist geradezu das Gegenteil von Weltrettung, und es wird zu den erfreulichen Folgen von Corona gehören, dass sich Klimaschutz und Standortrettung spätestens nächstes Jahr wieder in einem erledigen lassen.

„Es gibt aus der Verstricktheit keinen Ausweg. Das einzige, was sich verantworten lässt, ist, den ideologischen Missbrauch der eigenen Existenz sich zu versagen und im übrigen privat so bescheiden, unscheinbar und unprätentiös sich zu benehmen, wie es längst nicht mehr die gute Erziehung, wohl aber die Scham darüber gebietet, dass einem in der Hölle noch die Luft zum Atmen bleibt.“ Adorno, 1944

Von Lichtenberg stammt die Einschätzung, Halbwahrheiten seien schlimmer als Lügen, und die Hälfte der Wahrheit ist, dass Konsum nicht Teil der Lösung ist, sondern Teil des Problems. Gleichwohl hat das, was „Flugscham“ heißt, in Schweden die Zahl der Flüge immerhin etwas reduziert, während sie in SUV-Deutschland immer noch zugenommen hat, und kann es in einem System, das weder die SZ noch sonst jemand diesseits der DKP ändern will, um überhaupt noch etwas gehen, dann darum, sich nicht jene Scham abmarkten zu lassen, die unter der institutionalisierten Schamlosigkeit vielleicht bloß eine Geste, aber doch wenigstens das ist. Wer sich schämt, weiß, es ist was falsch; Schamlosigkeit aber ist, nach Freuds bekanntem Wort, der Schwachsinn selbst.

„Es fliegen ja auch nur noch Proletarier nach Neuseeland“, schreibt mir der Freund, der selbst erst da war, wie zerknirscht, und in dem Satz liegt alle Wahrheit: Was teuer sein müsste, wird nicht teurer werden, damit das, was es die Leute kostet, nicht vom Glauben abzufallen, auch weiterhin a conto der noch Schwächeren sowie einer Zukunft geht, die erst dann eine wäre, wenn sich kein Proletarier mehr schadlos halten müsste, weil alles für alle dasselbe kostet. Bis zu diesem Systemwandel, den Adorján nicht meinen kann, wird die zweite Zentralfrage der Zeit bleiben, „wie man mit Menschen umgehen soll, von denen man weiß, dass sie Faschisten wählen.“ Die Antwort könnte lauten: Die Faschisten weiter zum Abendessen einladen, denn individuelle Anstrengungen werden den Faschismus nicht aufhalten, es braucht einen Systemwandel. Und auf den wartet man doch besser bei einer guten Flasche Rotwein; oder sogar am Ninety Mile Beach.




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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Rechtzeitig zur Urlaubsartikelsaison, »Spiegel«,

lesen wir in Deinem Urlaubsartikel »Entzauberte Idylle« die Behauptung: »In den Ferien wollen wir doch alle nur eins: Aperol Spritz und endlich mal in Ruhe lesen.«

Das können wir natürlich sehr gut verstehen. Wir wollen in den Ferien auch nur eins: 1. eine eigene Softeismaschine auf dem Balkon, 2. einen Jacuzzi im Wohnzimmer, 3. eine Strandbar auf dem Balkon, 4. einen Balkon.

Deine Urlaubsmathematiker/innen von Titanic

 Tagesschau.de!

»Sei nicht immer so negativ!« wollten wir Dir schon mit auf den Weg geben, als Du vermeldetest: »Juli stellt knapp keinen Temperaturrekord auf«. Auf Schlagzeilen wie »Zehnkämpfer Leo Neugebauer erringt in Paris knapp keine Goldmedaille«, »Rechtsextremer Mob erstürmt im nordenglischen Rotherham knapp kein potentiell als Asylunterkunft genutztes Hotel« oder »19jähriger Islamist richtet bei Taylor-Swift-Konzerten in Wien knapp kein Massaker an« hast Du dann aber doch verzichtet.

Es gibt sie also noch, die positiven Nachrichten.

Vor allem von Titanic

 Eine dicke Nuss, »ZDF heute«,

hast Du uns da zu rechnen gegeben: »Die Summe aus sinkenden Ticketverkäufen und gestiegenen Kosten« führe dazu, dass Festivals heutzutage meist ein »Minusgeschäft« seien.

Also wenn man die Ticketverkäufe und die gestiegenen Kosten addiert, wie man es ja in der Erstsemester-BWL-Vorlesung gelernt hat, und davon ausgeht, dass die Ticketverkäufe trotz Flaute größer als Null bleiben und auch die Kosten eine positive Zahl bilden, die Summe entsprechend ebenfalls positiv bleibt (und kein »Minusgeschäft« ergeben kann), dann müsste das Ergebnis doch sein … hmm … ja, genau: dass Du wirklich keine Ahnung von Mathe hast.

Aber mach Dir nichts draus, dafür hast Du ja Deine Zählsorger/innen von Titanic

 LOL, Model Anna Ermakova!

Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung verrieten Sie Ihre sprachlichen Ambitionen: »Ich möchte unbedingt lernen, Witze auf Deutsch zu machen. Ich will die Leute zum Lachen bringen, ohne dass sie nur über mich lachen«. In Deutschland fühlten Sie inzwischen »eine solche Wärme«.

Der war schon mal gut!

Loben die Witzeprofis von Titanic

 Mmmmmh, Iglo-Freibad-Pommes!

Ihr seid ein neues Tiefkühlprodukt, das in diesem Sommer vom grassierenden Retro- und Nostalgietrend profitieren möchte. Daher seid Ihr derzeit auf den großen Plakatwänden im Stadtbild vertreten, und zwar garniert mit dem knusprigen Claim: »Das schmeckt nach hitzefrei«.

Aber schmeckt Ihr, wenn wir uns recht erinnern, nicht ebenfalls nach einem kräftigen Hauch von Chlor, nach einem tüchtigen Spritzer Sonnenmilch und vor allem: nach den Gehwegplatten aus Beton und der vertrockneten Liegewiese, auf welchen Ihr regelmäßig zu Matsch getreten werdet?

In jedem Fall bleibt es Euch weiterhin verboten, vom Beckenrand zu springen, schimpft Eure Bademeisterin  Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Wahre Männer

Auto verkauft, weil das gute Olivenöl zu teuer geworden ist.

Uwe Becker

 Schock total

Wenn im Freibad dieser eine sehr alte Rentner, der sich beim Schwimmen kaum fortzubewegen scheint, der bei seinen zeitlupenartigen Zügen lange untertaucht und von dem man dachte, dass er das Becken schon vor langer Zeit verlassen hat, plötzlich direkt vor einem auftaucht.

Leo Riegel

 Aus einer Todesanzeige

»Wer sie kannte, weiß was wir verloren haben.« Die Kommasetzung bei Relativsätzen.

Frank Jakubzik

 Zero Punkte für den Underdog

Nach meinem Urlaub in Holstein möchte ich an dieser Stelle eine Lanze für die oft zu Unrecht belächelte Ostsee brechen. Jene, so heißt es, sei eigentlich gar kein richtiges Meer und habe ihre unwürdige Existenz bloß einer brackigen XXL-Schmelzwasserpfütze zu verdanken. Wellen und Brandung seien lächerlich, die Strände mickrig und das Leben unter Wasser mit der Artenvielfalt in einem Löschtümpel vergleichbar. Außerdem habe ein Gewässer, in das man vierhundert Meter hineinschwimmen und danach selbst als Siebenjähriger noch bequem stehen könne, das Prädikat »maritim« schlicht nicht verdient. Vorurteile, die ich nur zu gerne mit fantastischen Bildern und spektakulären Videos widerlegen würde. Doch daraus wird dieses Mal nichts. Leider habe ich meine kompletten Küsten-Campingferien aus Versehen im »Freibad am Kleinen Dieksee« verbracht und den Unterschied erst zu spät bemerkt!

Patric Hemgesberg

 SB-Kassen

Zu den Seligen, die an Selbstbedienungskassen den Laden kaltblütig übervorteilen, gehöre ich nicht. Im Gegenteil, obwohl ich penibel alle Artikel scanne und bezahle, passiere ich die Diebstahlsicherungsanlage am Ausgang immer in der angespannten Erwartung, dass sie Alarm schlagen könnte. Neulich im Discounter kam beim Griff zu einer Eierschachtel eine neue Ungewissheit hinzu: Muss ich die Schachtel vor dem Scannen wie eine professionelle Kassierkraft öffnen, um zu kucken, ob beim Eierkauf alles mit rechten Dingen zugeht?

Andreas Maria Lugauer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 12.09.:

    "Heute detoxe ich im Manager-Retreat im Taunus": TITANIC-Chefredakteurin Julia Mateus im Interview mit dem Medieninsider.

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

  • 27.08.: Bernd Eilert schreibt in der FAZ über den französischen Maler Marcel Bascoulard.
  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

  • 29.01.:

    Ein Nachruf auf Anna Poth von Christian Y. Schmidt im ND.

Titanic unterwegs
18.09.2024 Bonn, Rheinbühne Thomas Gsella
18.09.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner
19.09.2024 Berlin, Kulturstall auf dem Gutshof Britz Katharina Greve
19.09.2024 Hamburg, Centralkomitee Hauck & Bauer