Dax Werners Debattenrückspiegel: KW 48
Liebe Leser:innen,
die letzte Woche war wieder einmal geprägt von allerlei Debatten, doch der wichtigste Debattenbeitrag kommt diesmal vom Ausnahme-Unternehmer Dirk Rossmann: Sein neues Buch ist meines Erachtens ein wenig vom Feuilleton übersehen worden, obwohl es wichtige Impulse und Learnings für die Herausforderungen unserer Zeit liefern kann. Pack ma’s!
Denn "Der neunte Arm des Oktopus" ist vieles zugleich: Ein Wachrüttel-Drama, ein Zukunfts-Thriller, eine Art neues altes Testament, aber vor allen Dingen ein Drehbuch für einen öffentlich-rechtlichen Mehrteiler mit anschließendem Talk bei Frank Plasberg. Dafür spricht allein schon der knappe, dialogische Stil, beispielsweise auf Seite 17, dort, wo Rossmann Altkanzler Gerhard Schröder seinen ersten Cameo-Auftritt absolvieren lässt. Im Anschluss an ein Meeting mit Vladimir Putin möchte Schröder seinem alten Freund ein Büchlein schenken, damit dieser seine Deutschkenntnisse auffrischen kann. Eine melancholische Szene, die der Romancier mit leichter Hand und nur wenigen Pinselstrichen mit dem Fluidum unabwendbaren Abschieds durchzieht: "'Hm', sagte Putin".
Es ist, in den Worten eines anderen Großdenkers, der "Realismus der Hemingway-Carver-Schule" (Daniel Kehlmann), der sich hier Bahn bricht. Nicht nur, aber auch am subtil verknappenden Stil kann man den mindestens 13-köpfigen writers room, in dem Rossmanns Opus Magnum entstanden sein soll, förmlich herausschmecken. 400 Seiten schreiben sich nicht von allein, vieles ist für einen Unternehmer mit dem workload Rossmanns schlicht nicht recherchierbar. Stichwort Schwarmintelligenz. Und damit sind wir auch schon bei Frank Schätzing. Denn "Oktopus" (ich kürze den Titel ab hier mal ab) – soviel sei schon verraten – ist der Roman, den Schätzing immer schreiben wollte. Später mehr dazu. Oder vielleicht auch nicht.
Rossman weiß zu jeder Sekunde, dass auch er nur ein Zwerg ist auf den Schultern von Riesen: "Anfang des 21. Jahrhunderts erlebte das Religiöse eine Renaissance, ausgelöst vor allem durch den Islam, leider auch in seiner verblendeten Erscheinungsform als islamistischer Terror." Hier verbeugt sich einer und reiht sich dennoch ein in die große Tradition der Abenteuerbücher von Peter Scholl-Latour, dem bis heute unübertroffenen Kenner des Orients. Bescheidenheit ist für Rossmann nach wie vor größtes Gebot und so spart er mit eigenen Auftritten im Roman und tritt lediglich 6 oder 7 Mal am Rande auf, beispielsweise – Spoileralarm! – im Abspann: "Den Staatschefs Xi, Putin und Harris wurde gemeinsam der Friedensnobelpreis verliehen. Zur Zeremonie in Stockholm wurde auch, auf Betreiben Putins, der ehemalige deutsche Kanzler Gerhard Schröder eingeladen, der wiederum für seinen Freund Dirk Rossmann eine Karte erwirkte."
Der Unternehmer-Roman ist nicht erst seit Matthew Mockridge ("GATE C30 – Eine Geschichte über wahres Lebensglück", 2017), Fynn Kliemann ("Öv Aeöv Eueij: Fast 21 beknackte Romane in großer Schrift") oder Dirk Kreuter ("Was ich meinem 18-Jahrigem Ich raten würde", 2020) ein boomendes Genre, mit dem sich Geld verdienen lässt. Doch Rossmann geht einen anderen Weg: Denn wo die Visionen der vorgenannten Autoren den Staat und seine Organe aus einer Kombination von Hippietum und kalifornischen Startup-Denken oftmals als allererstes rauskegeln wollen, holt Rossmann den Staat mit großer Geste wieder rein: Der Klimawandel ist jetzt nicht mehr zu übersehen, die Welt steht vor dem Untergang und die Achse der globalen Supermächte Russland, China und USA soll es richten. Auch dies einmal mehr ein genialer Zug Rossmanns: Das geopolitikaffine Publikum, das sich seit dem Abschied Volker Pispers die Zeit bei den Nachdenkseiten, KenFM oder den Querdenker-Demos vertreibt, wird mit Rossmanns Großerzählung wieder in die Mitte der Gesellschaft genudget. So geht mit Rechten reden!
Auch in Sachen Vermarktung sucht Rossmann die Herausforderung und platziert seinen Thriller in den Regalen einer Drogeriekette – genau dort, wo es sonst nur Tommy Jaud oder Stephenie Meyer hinschaffen. Die Promorampe war diesmal lang, schon im März war Rossmann auf Gabor Steingarts dubiosen Podcast-Schiff "Pioneer" zu Gast. Doch nicht allen und schon gar nicht dem Feuilleton war klar, mit was für einem literarischen Ereignis wir es beim Oktopus zu tun haben. Udo Lindenberg dagegen schon: "Das ist Hammer. Super spannend. Respekt!". Real recognize eben real. Eine Rezensentin auf Amazon schrieb derweil: "Ich kann mir ganz gut vorstellen, dass dieses Buch (wie 'Brave New World' von Aldous Huxley) großen Zuspruch in der Schule finden wird." Hoffen, nein: Beten wir gemeinsam dafür, dass es so kommt.
Grüße und Lesebefehl, euer: Dax Werner
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