Aus Eugen Egners Püppchenstudio
Optische Wahrnehmung
Im Konkurszirkus (2. Teil)
In der Tierschau, wo ich sodann Inventur machte, gab es nur ziemlich kleine Tiere und zudem nur solche, die der Direktor schon im Delirium tremens gesehen hatte. Ich fand sie allesamt zu klein, ich wollte größere. Umgehend rief ich beim Konkursamt an und forderte, die Würmer sollten zwei Meter lang sein und die Fledermäuse so groß wie die Frauenkirche.
Da schlug es acht, die letzte Vorstellung vor dem Konkurs sollte endlich anfangen. Seit Stunden warteten die Artisten und Clowns schon in einer schäbigen Garderobe aus Blech und Abfall. Einige suchten ihr Heil in Perücken, die sie begehrenswert aussehen lassen sollten, andere redeten in allen Sprachen durcheinander: "Ich hab keine Hose!", "Ich hab kein Geld!", "Ich hab kein Talent!"
Sie brannten darauf, im Gänsemarsch hinaus ins Licht zu treten und zu singen: „Hey, hey, wir sind die ABC-Puppen aus Geisterstadt!“ Weil aber alles falsch aufgebaut war, war es im Zelt so dunkel und muffig wie in einer Gruft, und niemand traute sich hinein. Der Direktor forderte die Zuschauer auf, von zu Hause Lampen zu holen, damit die Vorstellung stattfinden konnte. Ihm wurde jedoch entgegengehalten, für Licht habe er selbst zu sorgen, das sei im Eintrittspreis inbegriffen. Darüber entbrannte eine hitzige Diskussion. Es wurde ziemlich spät, und der Direktor schickte alle Artisten und Clowns nach Hause. Sie erreichten gerade noch die letzte S-Bahn.
◀ | Informationen für Besucher der Frankfurter Buchmesse | Ai Weiwei – Goodbye Deutschland | ▶ |
Newstickereintrag versenden…