Humorkritik | Juni 2024

Juni 2024

»›Parodieren‹ kann man gerade das Höchste, aber das heißt nicht, daß der Komiker, der dies tut, für die Legitimität des hohen Stiles an seinem Ort unempfänglich wäre, sondern eher heißt es das genaue Gegenteil!«
Otto Seel

Hacks für Kinder und Frösche

Einige von Peter Hacks’ Texten für Kinder wurden, wie etwa »Das Windloch«, schon vor über sechzig Jahren geschrieben, und sowenig Humor für Kinder eigentlich in diese Rubrik gehört, desto mehr die beiden im Eulenspiegel-Verlag erschienenen und wohltuend unoriginell betitelten Bände »Die Romane für Kinder« und »Die Kindermärchen«. Denn Hacks’ komisches Talent kommt in diesen Texten bestens zur Geltung. Mit Leichtigkeit nimmt der Autor die zwischen tiefem Ernst und absurder Fantasie schwankende kindliche Vorstellungswelt auf, entwirft daraus eigene Welten voll physikalischer Unmöglich- und anderer Unwahrscheinlichkeiten, und für die Figuren gilt: Je ernster sie sich nehmen, desto schlechter bzw. lächerlicher lässt Hacks sie aussehen. Und nebenbei bekommt die junge Leserschaft kleine, durchaus subversive Lektionen erteilt. In der vielleicht bekanntesten Kindergeschichte von Hacks, dem Roman »Liebkind im Vogelnest«, wollen die beiden verliebten Jugendlichen Liebkind und Leberecht eine Runde baden gehen, jedoch: »Vor ihnen im Wasser saß ein grüner Frosch. Der Frosch quarrte: ›Sie dürfen hier nicht baden‹. ›Das tut uns leid‹, sagte Leberecht. ›Warum denn nicht?‹ ›Es ist verboten‹, sagte der Frosch. ›Entschuldigung‹, sagte Liebkind. ›Wir wussten nicht, dass es verboten ist‹. ›Wussten nicht!‹ höhnte der Frosch. ›Jeder kann sehen, dass dies ein Vogelbad ist. Sind Sie vielleicht Vögel?‹ ›Ich glaube nicht‹, sagte Liebkind. ›Aber sind Sie denn selbst ein Vogel?‹ ›Das tut nichts zur Sache‹, erwiderte der Frosch.« Hier ist bereits einiges enthalten: Der Witz, wonach Menschen überhaupt in Vogelbädern baden könnten, ein höhnischer, aber auch sich selbst widersprechender Polizisten-Frosch und eine hübsche Pointe gegen aufgeblasene Autoritäten. »Liebkind im Vogelnest« ist ein surreales, komisches kleines Meisterwerk.

Aber auch der zweite Band, die Kindermärchen, haben mir gut gefallen, besonders »Das Turmverlies«, in dem eine Gruppe Gefangener ihren Entführer mit dem Erzählen von abenteuerlichen Geschichten und Gedichten abzulenken versucht, um dem gefesselten »Onkel Titus« Zeit zu verschaffen, seine Fesseln durchzuscheuern, und Gedichte wie das von dem »König von Frankreich«, der es nicht für nötig hielt, sich zu waschen: »Er hatte goldene Kleider / Und Puder im Gesicht / Doch ein Stück Seife, leider / Das hatte Ludwig nicht«. Und so: »Er war ein großer König/ Genennet war sein Nam’ / Doch liebte ihn halt wenig / Wer ihm näher kam // Zwei Doktorn der Sorbonne / Beschrieben ihn genau / Er glänzte wie die Sonne / Er roch wie eine Sau«. Wenn das nicht fast ein bisschen nach Gernhardt und Konsorten riecht, dann laus’ mich doch Onkel Mo! Und wer das nun wieder ist, das lesen Sie aber bitte schön selber nach.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Sie wiederum, André Berghegger,

haben als Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes nach dem Einsturz der Dresdner Carolabrücke eine »Investitionsoffensive für die Infrastruktur« gefordert, da viele Brücken in Deutschland marode seien. Diese Sanierung könnten jedoch Städte und Gemeinden »aus eigener Kraft kaum tragen«, ergänzten Sie. Mit anderen Worten: Es braucht eine Art Brückenfinanzierung?

Fragt Ihre Expertin für mehr oder weniger tragende Pointen Titanic

 Interessant, was Sie da sagten, Erling Haaland (Manchester City)!

»Die besten Spieler sind die besten in den einfachsten Dingen. Mit der rechten Hand berühren und mit der linken passen. Das ist das Wichtigste. Pep sagt das immer wieder zu mir.«

Mit welcher Hand man dann das Tor erzielt, ist egal, meint im Gedenken an Diego Maradona Titanic

 Gott sei dank, »Focus«!

Du schreibst: »Fleischkonsum sinkt, Mitarbeiter fehlen. Fachkräftemangel trifft die Wursttheke«. Aber sieh es doch mal positiv, lieber Focus: Es wäre doch viel schlimmer, wenn aufgrund des hohen Fleischkonsums die Mitarbeiter/innen verschwinden würden …

Grüße aus der Fleet Street schickt Titanic

 Priwjet, Roderich Kiesewetter!

Priwjet, Roderich Kiesewetter!

»Die AfD ist nicht besser oder schlechter als das BSW. Beide sind Kinder derselben russischen Mutter«, sagten Sie der FAS.

Da haben wir aber einige Nachfragen: Wer sind denn die Väter? Hitler und Stalin? Oder doch in beiden Fällen Putin? Und wenn BSW und AfD dieselbe Mutter haben: Weshalb ist der Altersunterschied zwischen den beiden so groß? War die Schwangerschaft mit dem BSW etwa eine Risikoschwangerschaft? Und warum sollte es keine Qualitätsunterschiede zwischen den Parteien geben, nur weil sie die gleiche Mutter haben? Vielleicht hat Russland ja sogar ein Lieblingskind? Können Sie da bitte noch mal recherchieren und dann auf uns zurückkommen?

Fragt die Mutter der Satire Titanic

 Bitte schön, Annika Stechemesser!

Sie sind Klimaforscherin in Potsdam, wurden in der Frankfurter Rundschau am Tag nach den brisanten Landtagswahlen zum Thema »effektiver Klimaschutz« interviewt, und da wir heute auf keinen Fall Witze mit Namen machen wollen, lassen wir das einfach mal so stechen, äh, stehen!

Ganz lieb grüßt Ihre Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Im Unterzucker

Wenn man sich bei seinem Lieblingsitaliener keine Pizza bestellen kann, weil man nicht alle Vespas auf den Fotos gefunden hat – liegt das dann am nicht bestandenen Turin-Test?

Lara Wagner

 Obacht!

Die Ankündigung von Mautgebühren ist furchterregend, aber so richtig Gänsehaut bekomme ich immer erst, wenn bei Google Maps als »Warnhinweis« auftaucht: »Diese Route verläuft durch Österreich.«

Norbert Behr

 Kurzzeitgenossen

Bei der Meldung zu Anton Bruckners 200. Geburtsjubiläum (4. September) und dem tags darauf sich jährenden Geburtstag Heimito von Doderers (5. September) mit Interesse bemerkt, dass beide Herren im Jahr 1896 kurz gleichzeitig am Leben waren: nämlich fünf Wochen und einen Tag lang, von Klein-Heimitos Entbindung bis zu Bruckners Tod am 11. Oktober. Solche ganz knapp verpassten Möglichkeiten der Seelenwanderung faszinieren mich. Was wäre gewesen, hätte man Doderer etwas später zur Welt gebracht, wäre Bruckners Geist schon ein paar Wochen früher »frei« gewesen? Hätte Wien / Ansfelden ein reinkarniertes Doppeltalent Heimtoni von Brucknerer überhaupt ausgehalten, hätte die literarisch-musikalische Welt unter dem Eindruck der »Strudlhofsinfonie«, des »Rondo in c-Moll für Streichquartett und einen Merowinger« (Alternativtitel: »Die tonale Familie«) oder der kurzen vierstimmigen Motette »Die Peinigung der Orgelpfeifelchen« vor Entzücken und Überwältigung alle viere von sich gestreckt, aufgegeben und ihren Kulturbeutel auf immerdar zusammengepackt? – Dass das Spekulieren über solche vergeigten Leider-nicht-Seelenwanderungen nur sehr ausnahmsweise Sinn ergibt, dämmerte mir aber, als ich ad notam nahm, mit welchen Gruselgestalten und potentiellen Reinkarnationsgefäßen seinerseits Doderer seine allerletzten Tage im Herbst 1966 verbringen musste: Stefan Raab (*20.10.66), David Cameron (*9.10.66), Caroline Beil (*3.11.66) und sogar noch haarscharf David Safier (*13.12.66, »Miss Merkel – Mord am Friedhof«; »Der kleine Ritter Kackebart«). Dann schon lieber die Seele mit in die Hölle nehmen.

Michael Ziegelwagner

 Unangenehm

Auch im Darkroom gilt: Der Letzte macht das Licht aus.

Sebastian Maschuw

 Quo vadis, Fortschritt?

Unfassbar: Nach so vielen Jahren des Horrorfilms gruseln sich die Leute noch vor der Nosferatu-Spinne. Wann taucht in unseren Breiten endlich die Slasher- oder Zombie-Spinne auf?!

Mark-Stefan Tietze

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 03.10.: Der MDR kramt bei der Debatte, ob Ostdeutschland in den Medien schlechtgeredet wird, die Zonen-Gaby wieder hervor.
  • 26.09.:

    Noch-Grünenchefin Ricarda Lang retweetet "ihren" Onlinecartoon vom 25.09.

  • 18.09.: TITANIC-Zeichnerin Hilke Raddatz ("Briefe an die Leser") ist mit dem Wilhelm-Busch-Preis geehrt worden. Die SZLZ und der NDR berichten.
  • 12.09.:

    "Heute detoxe ich im Manager-Retreat im Taunus": TITANIC-Chefredakteurin Julia Mateus im Interview mit dem Medieninsider.

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

Titanic unterwegs
23.10.2024 Karlsruhe, Tollhaus Max Goldt
23.10.2024 Berlin, Walthers Buchladen Katharina Greve
24.10.2024 Stuttgart, Im Wizemann Max Goldt
25.10.2024 Potsdam, Waschhaus-Arena Thomas Gsella