Humorkritik | Juli 2024
Juli 2024
»Laughter is to human soul, what water is to life«
Obaidur Rahman
Viktor bringt’s nicht
Stark beworben wird derzeit die neue Prime-Serie »Viktor bringt’s«, die formal deutlich angelehnt ist an den »Tatortreiniger«. Statt mit Schotty (Bjarne Mädel) hat man es hier mit Service-Techniker Viktor, gespielt von Moritz Bleibtreu, zu tun, der, wie im Vorbild, in jeder Folge in einen anderen Haushalt gerufen wird. Damit endet die Ähnlichkeit zum »Tatortreiniger« allerdings auch schon. Denn während Schotty, den man in der Serie anfangs eher unter- als überschätzt, durchaus zu originellen Gedanken sowie zu Empathie und Witz fähig ist, spricht Viktor ausschließlich in Plattitüden. Nicht anders verhält es sich mit Viktors Sohn Mika, der so himmelschreiend plump als vermeintlich progressives Element und Dauerkorrektiv an Vaters Seite platziert worden ist, dass es schmerzt: Perlenkette, lackierte Nägel, fertig ist der Generation-Z-Vertreter. Kaum eine Äußerung darf Effekt entfalten, ohne einen garantiert witzlosen Pawlow’schen Konter Mikas hervorzurufen und pflichtbewusst in den gegenwärtigen Politdiskurs gequetscht zu werden. Als Viktor und Mika dem Nachbarn eines Kunden erzählen, dass sie gerade einen Saugroboter liefern, fragt der Nachbar: »Weil seine Frau gestorben ist?«, und Mika erwidert: »Aha, weil nur Frauen saugen oder was?« Kurz darauf sagt ein Bundeswehroffizier über seinen Einsatz in Afghanistan: »Wenn Sie wüssten, was ich alles weiß, würden Sie wie die kleinen Mädchen heulen.« Und Mika, genau: »Weil nur Mädchen heulen oder was?« Abermals nur wenige Augenblicke später wird ein halbwegs komischer Hahnenkampf zweier alter Männer dann wie folgt kommentiert: »Weil ihr so viel Tolles geleistet habt: Natur und Umwelt zerstört, irgendwelche Kriege angezettelt! … Wisst ihr, was heute wirklich männlich ist? Dass wir als Männer alles sein können.« Wer eine derart uninspirierte Dialogführung für gewitzt hält, dürfte mit der Serie seinen Spaß haben, alle anderen werden sich wohl wie ich eher einen Stromschlag als eine weitere Folge wünschen.
Ähnlich verhielt es sich schon mit »Warten auf’n Bus«, jener ebenfalls als Kammerspiel (oder: Wartehäuschen-Spiel) angelegten Serie mit zwei Hauptfiguren aus dem ostdeutschen Raum, von Kritik und Jurys wohl durch ebenjenen Ostschwerpunkt goutiert und immer wieder in die Reihe mit dem »Tatortreiniger« gestellt. Auch hier konnte man sich die zwei arbeitslos gewordenen Typen, die ihre Tage an der Bushaltestelle verbringen, nur als Karikaturen vorstellen, als jammerige Schießbudenfiguren ohne höhere formale Bildung, mit Dialekt und Klamotten aus dem Bauerntheater und der Reife durchschnittlicher Fünfjähriger. Da hinkt der Vergleich mit dem »Tatortreiniger« dann eben wie ein deutscher Schauspieler, der in einen Blaumann steigt. Wo das Original nämlich mit liebevoll entworfenen Charakteren bestechen konnte und seinen bisweilen subtilen Witz auch daraus zog, dass seine Figuren zu überraschen wussten, scheint man beim Versuch, den Erfolg zu wiederholen, gerade daran zu scheitern: der Darstellung auch von Menschen fern der A13-Besoldung.