Humorkritik | Juli 2024
Juli 2024
»Laughter is to human soul, what water is to life«
Obaidur Rahman
Die größten Schabrackentapire Deutschlands
Wenn irgendwo »Mario Barth präsentiert« draufsteht, ist das eigentlich ein sicherer Hinweis, es ignorieren zu können. Die Bauart seiner seit 20 Jahren bekannten und bis zur Selbstparodie wiederholten Späße aus dem Themenspektrum »Freundin – Ikea – Handtasche« sind nicht erwähnenswert; interessanter erscheint mir da schon der große Quotenerfolg, den zwei nahezu identische Formate, nämlich die von M. Barth präsentierten »Größten Stars der Comedy« auf RTL und die »Besten Comedians Deutschlands« auf Sat 1, mit ebendiesen, in ihrer Vorhersehbarkeit fast schon selbstironisch wirkenden Gags einfahren.
Dass der 49jährige Ralf Schmitz der jüngste Teilnehmer der ersten Folge der »größten Stars« war, passt zur rückwärtsgewandten Ausrichtung der Sendungen: Schon vor 20 Jahren hätten auf dem gleichen Programmplatz exakt dieselben Leute auftreten können. Der gruselige Unterschied im Jahr 2024 besteht darin, dass die »politische Inkorrektheit« des Dargebotenen, einst stille Begleiterin, heute der offensiv beworbene und vom Publikum bejubelte Kern geworden ist. So füllt Guido Cantz seinen Auftritt bei RTL praktisch komplett mit einer Auslassung über Dinge, die man auf Grund von Woke-Wahnsinn nicht mehr sagen dürfe, nur um daran anschließend über Menschen, die »als Mann aufgestanden, als Frau ins Bett gegangen und als Schabrackentapir wieder aufgewacht sind« zu witzeln. Wenn parallel auf Sat 1 Matze Knop sein Publikum darüber aufklärt, dass die Formulierung »Zuschauer/innen« ja jene ausschließt, die »außen« stehen, und selbst für diesen uralten Sums noch wohlwollende Lacher kassiert, dann weiß man: Das sind sicher nicht die besten, aber mit ihrem Gespür für die Bedürfnisse des Publikums (Vergangenheit, Ordnung, Komplexitätsreduktion) ganz bestimmt die deutschesten Comedians Deutschlands.