Humorkritik | Januar 2024
Januar 2024
»Nichts Komischeres produziert der Kapitalismus als jene Menschen und Institutionen, die allen Ernstes ›an ihn glauben‹.«
Georg Seeßlen / Markus Metz, »Blödmaschinen«
Das Ensemble als Scheiter-Haufen
Seit dem Erfolg von Michael Frayns unverwüstlicher Farce »Noises Off« (dt. »Der nackte Wahnsinn«, 1982), in dem eine von Eifersüchteleien zerfressene Theatertruppe mit einer schlüpfrigen Bäumchen-wechsle-dich-Klamotte auf die Schnauze fällt, hat das im Scheinwerferlicht stattfindende Scheitern von Minderbegabten und Dilettanten einige Nachahmer inspiriert. An die Zuschauerzahlen von Frayns Repertoire-Klassiker kann mittlerweile die von Henry Lewis, Jonathan Sayer und Henry Shields geführte Mischief Theatre Company anschließen. Das als Studentenkabarett gegründete Ensemble hat u.a. das seit über zehn Jahren in London laufende »Play That Goes Wrong« ausgeheckt, in dem es in die Rollen der »Cornley Polytechnic Drama Society« schlüpft – einer ambitionierten Laienspielgruppe von beschränktem Talent. Bei ihrem Versuch, ein an Agatha Christies »Mausefalle« erinnerndes Krimistück aufzuführen, kollabiert verlässlich das Bühnenbild, werden Manuskriptseiten verwechselt und ruinieren sich die wahlweise schüchternen bzw. egomanischen Hobby-Schauspieler gegenseitig die Szenen.
Zwar hat es »The Play That Goes Wrong« unter dem Doof-Namen »Chaos auf Schloss Haversham« auch hierzulande auf die Bühnen geschafft, allerdings sind die Exportmöglichkeiten für die große Slapstickkunst der Mischief-Truppe begrenzt, zumal die Folgestücke noch klarer aufs britische Publikum zugeschnitten waren. Umso mehr hat mich gefreut, dass Lewis/Sayer/Shields ihr Wirken mittlerweile aufs Fernsehen ausgedehnt und zwei kurze Staffeln der »Goes Wrong Show« produziert haben, die auch auf DVD erhältlich sind. Der Witz erlahmt zwar in der zweiten Staffel, weil es eben nur eine überschaubare Anzahl von Möglichkeiten gibt, Einsätze zu versemmeln und Leute in der Kulisse festhängen zu lassen, dafür sind die Folgen aber auch nach jeweils dreißig Minuten vorbei; gerade rechtzeitig, bevor die Running Gags fad werden. Begeistert haben mich aus der ersten Staffel vor allem der Gerichtskrimi »A Trial to Watch«, bei dem das Set versehentlich in Puppenhausgröße gebaut, von den Darstellern des Hohen Gerichts aber trotzdem konsequent bespielt wird, sowie das Südstaaten-Melodram »90 Degrees«, bei dem der Requisiteur die titelgebende Temperatur versehentlich als Winkelangabe liest und einen Teil der Kulisse um 90 Grad gekippt errichtet, was den ohnehin schon am schwülstigen Dialog laborierenden Darstellern auch noch einen Kampf gegen die Schwerkraft abverlangt. Auch die viktorianische Schauermär, das weihnachtliche Rührstück und das Gefängnisdrama bieten eine beeindruckende Anzahl visueller und verbaler Gags, so dass ich dringend zum Anschauen rate – denn es wäre doch traurig, müsste man für den Genuss derart mieser Bühnenkunst den Weg ins richtige Laientheater wagen.