Humorkritik | Oktober 2021
Oktober 2021
»Es herrscht, wer heiter ist, denn um traurig zu sein, muss man fühlen.«
Fernando Pessoa
Kurz gelobt
»Glitterschnitter«, das neue Buch von Sven Regener, fängt da an, wo »Wiener Straße« aufgehört hat, und ist genauso komisch wie sein Vorgänger (beide bei Galiani). Frank Lehmann, der erst sehr viel später zum legendären Herrn Lehmann aufsteigen wird, ist hier noch Putzkraft im Café Einfall und braucht fast einhundert Seiten, um drei Liter H-Milch zu besorgen. Es geht also um nichts, und trotzdem will man unbedingt wissen, wie es weitergeht; große Themen werden auch nicht verhandelt, wir dürfen einfach nur teilnehmen an einigen Tagen der nicht besonders durchstrukturierten Leben von Lisa, Kacki, Chrissie, P. Immel, H.R. Ledigt, Erwin, Helga und Kerstin, die alle viel reden und wenig auf die Reihe kriegen. Sven Regener liebt sein lebensuntüchtiges Romanpersonal und schaut ihm in »Glitterschnitter« fast zärtlich beim Scheitern zu. Dabei setzt er seine Pointen mit so bewundernswert sicherem Timing, dass ich selbst nach 470 Seiten noch lange nicht genug hatte und jetzt schon auf die Fortsetzung warte.