Humorkritik | Dezember 2021

Dezember 2021

»Wenn Sie über etwas einen Witz machen, anstatt ernst zu bleiben, distanzieren Sie sich von dem vorliegenden Problem. Sie treten einen Schritt zurück, und dadurch bekommen Sie eine klare Perspektive auf die Dinge.«
Olivia Remes

Sparksismus

Er möge schleunigst den Fernseher einschalten, soll John Lennon seinem Ex-Schlagzeuger Ringo Starr irgendwann im Jahr 1974 am Telefon geraten haben: Bei »Top of the Pops« trete gerade Marc Bolan zusammen mit Adolf Hitler auf! Es war aber vielmehr die Band Sparks, die ihren ersten großen Hit »This town ain’t big enough for both of us« aufführte – mit dem gelockten Schönling Russell Mael als Sänger und seinem eigenartig frisierten, mit schmalem Schnauzbart ausgestatteten älteren Bruder Ron an den Tasteninstrumenten (welcher freilich stets behauptet hat, sich mit dieser Optik auf Charlie Chaplin zu beziehen).

Regisseur Edgar Wright (»Shaun of the Dead«, »Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt«) hat nun prominente Bewunderer der Sparks wie Beck, Flea, Neil Gaiman und Mike Myers, frühere Bandmitglieder sowie die beiden Brüder selbst ausgiebig interviewt und zeigt in seinem 140minütigen Dokumentarfilm »The Sparks Brothers«, wie die Kalifornier seit rund fünfzig Jahren ihre Idee einer exaltierten, artifiziellen und komisch getönten Popmusik unters Volk zu bringen versuchen – oftmals mit Erfolg. Die Band durchlief dabei zahllose Mutationen und schlug etliche Irrwege ein. Nachhaltigen Einfluss auf die Popmusik hatte sie spätestens seit 1979, als sie Giorgio Moroder als Produzenten engagierte und mit dem Album »No.1 in Heaven« zum Vorbild für die Synthiepopduos der darauffolgenden Jahrzehnte wurde.

Wright inszeniert diese Geschichte zweier unzertrennlicher Musikerleben kurzweilig, collagenhaft und mit Zwischenanimationen, die das Comicartige der Charaktere betonen. Glücklicherweise lässt er der Musik und dem historischen TV-Material viel Platz. Dazwischen scheint in Anekdoten immer wieder die kritisch-affirmative Methode der Sparks auf: Auf die Vorhaltung ihrer Plattenfirma, nach etwas Verstörendem doch mal lieber wieder etwas Tanzbares zu veröffentlichen, reagierten die Mael-Brüder mit dem Titel »Music you can dance to«, und als die britische Band Franz Ferdinand um eine Zusammenarbeit bat, schickte Ron ihnen einen Songvorschlag namens »Collaborations don’t work«; daraus wurde dann ein ganzes gemeinsames Album.

Im Oktober in Deutschland angelaufen, macht der Film gerade pandemiebedingt noch seine Runden durch die Programmkinos und harrt seiner Auswertung auf Amazon Prime und DVD. Im späteren Dezember kommt dann voraussichtlich Leos Carax’ Musicalfilm »Annette« in die deutschen Kinos, bei dem die Sparks nicht nur für die Musik verantwortlich sind, sondern gemeinsam mit Carax auch das Drehbuch geschrieben haben.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Die Bunte zitiert Sie mit der Aussage: »Um zu überleben, muss man gesund sein, und wenn man am gesündesten ist, sieht man einfach auch am jüngsten aus!« Gut, dass Sie diese Erkenntnis an uns weitergeben!

Geht jetzt zur Sicherheit bei jeder neuen Falte, Cellulitedelle und grauen Strähne zum Arzt:

Ihre greise Redaktion der Titanic

 Hallihallo, Michael Maar!

In unserem Märzheft 2010 mahnte ein »Brief an die Leser«: »Spannend ist ein Krimi oder ein Sportwettkampf.« Alles andere sei eben nicht »spannend«, der schlimmen dummen Sprachpraxis zum Trotz.

Der Literatur- ist ja immer auch Sprachkritiker, und 14 Jahre später haben Sie im SZ-Feuilleton eine »Warnung vor dem S-Wort« veröffentlicht und per Gastbeitrag »zur inflationären Verwendung eines Wörtchens« Stellung bezogen: »Nein, liebe Radiosprecher und Moderatorinnen. Es ist nicht S, wenn eine Regisseurin ein Bachmann-Stück mit drei Schauspielerinnen besetzt. Eine Diskussionsrunde über postmoderne Lyrik ist nicht S. Ein neu eingespieltes Oboenkonzert aus dem Barock ist nicht S.«

Super-S wird dagegen Ihr nächster fresher Beitrag im Jahr 2038: Das M-Wort ist ja man auch ganz schön dumm!

Massiv grüßt Sie Titanic

 Warum, Internet?

Täglich ermöglichst Du Meldungen wie diese: »›Problematisch‹: Autofahrern droht Spritpreis-Hammer – ADAC beobachtet Teuer-Trend« (infranken.de).

Warum greifst Du da nicht ein? Du kennst doch jene Unsichtbar-Hand, die alles zum Kapitalismus-Besten regelt? Du weißt doch selbst davon zu berichten, dass Millionen Auto-Süchtige mit Dauer-Brummbrumm in ihren Monster-Karren Städte und Länder terrorisieren und zum Klima-Garaus beitragen? Und eine Lobby-Organisation für Immer-Mehr-Verbrauch Höher-Preise erst verursacht?

Wo genau ist eigentlich das Verständlich-Problem?

Rätselt Deine alte Skeptisch-Tante Titanic

 Ach, Scheuer-Andi,

wie der Spiegel meldet, wird niemand für Sie in den Bundestag nachrücken. Da scheinen die Fußstapfen wohl einfach zu groß zu sein.

Die Besten gehen immer zu früh …

Weiß Titanic

 Hoppla, Berliner Gefängnischefs!

Drei von Euch haben laut Tagesspiegel wegen eines Fehlers der schwarz-roten Regierungskoalition statt einer Gehaltserhöhung weniger Geld bekommen. Aber der Ausbruch von Geldnöten soll durch einen Nachtragshaushalt verhindert werden. Da ja die Freundschaft bekanntlich beim Geld endet: Habt Ihr drei beim Blick auf Eure Kontoauszüge mal kurz über eine Ersatzfreiheitsstrafe für die nachgedacht, die das verbrochen haben?

Wollte diese Idee nur mal in den Raum stellen: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

 Tödliche Pilzgerichte (1/1)

Gefühlte Champignons.

Lukas Haberland

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
23.05.2024 Bielefeld, Theaterlabor Max Goldt
24.05.2024 Dresden, Buchladen Tante Leuk Thomas Gsella
30.05.2024 Frankfurt, Museum für Komische Kunst »POLO«
30.05.2024 Frankfurt, Museum für Komische Kunst Hans Traxler: »Die Dünen der Dänen«