Humorkritik | Dezember 2021
Dezember 2021
»Wenn Sie über etwas einen Witz machen, anstatt ernst zu bleiben, distanzieren Sie sich von dem vorliegenden Problem. Sie treten einen Schritt zurück, und dadurch bekommen Sie eine klare Perspektive auf die Dinge.«
Olivia Remes
Mahatma, Mahatma!
Da Komik von Gegensätzen lebt, ist es durchaus einzusehen, dass Dietmar Wischmeyer in seinem Romandebüt (»Begrabt meinen rechten Fuß auf der linken Spur«, Rowohlt Berlin) einen Simpel zum Helden macht. »Ich bin Wolfgang Schrage«, lautet dessen erster Satz, was durchaus natürlich ist, denn: »Schrage hieß schon mein Vater«. Das einfacher Leute Kind begeistert sich für Autos und kommt beim Straßen- und Wegebau unter, legt sich nach und nach Frau, Eigenheim und zwei Kinder zu und hängt doch am liebsten mit seinen Kumpeln ab, mit denen er sich »einen aufe Glocke gießen« kann und jeder immer »noch ’ne Schote« weiß, »da schmeißte dich weg«.
Kurzweilig ist das vor allem deshalb, weil Wischmeyer, einem guten Volkskundler gleich, die Gelegenheit nutzt, allerlei Redensarten aus der Versenkung zu holen. Es gibt deshalb Typen, die haben ’ne »Fresse wie’n Romika-Schuh, reintreten und sich wohlfühlen«; Kollegen, die, wenn man einen fahren, also »reißen« lässt, prompt rufen: »ein Stück Brot dabei«; und warum pfeift ein Gast mit »Mahatma! Mahatma!« die Bedienung herbei? Weil er zu seinem Heißgetränk »Gandhis Zucker« haben will.
So weit, so lustig. »Nun isses aber so«, dass Wischmeyer auf halber Romanstrecke die Tonart wechselt und die Memoiren seines Wolfgang Normalverbraucher vom Lande in eine Spionageerzählung münden lässt, die kriminöse Machenschaften während der deutschen Wiedervereinigung zum Thema hat. Während der Simpel von Seite zu Seite klüger wird, geht reziprok die Komik flöten – lesen Sie als richtiger Humorsucher am besten die ersten 140 Seiten; und die folgenden 140 bloß quer.
Wir wollten, »SZ«,
