Humorkritik | Dezember 2021
Dezember 2021
»Wenn Sie über etwas einen Witz machen, anstatt ernst zu bleiben, distanzieren Sie sich von dem vorliegenden Problem. Sie treten einen Schritt zurück, und dadurch bekommen Sie eine klare Perspektive auf die Dinge.«
Olivia Remes
Gestik und Gewalt
Viel, wenn nicht alles wurde bereits über die koreanische Kapitalismus-Parabel »Squid Game« gesagt, überwiegend in hymnischen Besprechungen. In Netzforen hingegen mokierte man sich u.a. über des Hauptdarstellers Lee Jung-jaes vermeintliches Overacting, seinen großzügigen Einsatz von Körperlichkeit, Gesten und Mimik. Allerdings macht gerade dies einen Großteil des Charmes zumindest der Hauptfigur aus, des Witzes nicht zuletzt, der gerade in den ersten Folgen einen angenehmen Gegenpart zur omnipräsenten Gewalt schafft; angedeutet bereits in der Szene, in der besagter Hauptcharakter vergeblich versucht, sein erwettetes Geld an einem Greifautomaten für Kinderspielzeug zu investieren, um der Tochter ein Geburtstagsgeschenk bieten zu können: Überglücklich, das ersehnte Geschenkpaket schließlich dank der Hilfe eines offensichtlich darin geübten Kindes aus dem Automaten gezogen zu haben, überreicht er es seiner Tochter, ohne jedoch den Inhalt des Päckchens geprüft zu haben. Worauf das Mädchen eine Pistole auspackt – wenn auch nur, wie sich später herausstellen wird, eine Feuerzeugpistole. »Wusstest du, dass es heute in der Armee viele Frauen gibt? In der Zukunft gibt es keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen mehr«, strahlt daraufhin ihr Vater, der aus jeder Situation das Beste zu machen gewohnt, wenn nicht gezwungen ist.
Unfreiwillig komisch sind dagegen die schlecht gespielten wie geschriebenen Dialoge der VIPs, in denen englischsprechende Schauspieler wie John D. Michaels zum Einsatz kommen, der dem Guardian berichtete, es sei nicht unüblich, in koreanischen Produktionen mit Übersetzungen aus Google-Translate arbeiten zu müssen. 우습! Oder?