Humorkritik | April 2020

April 2020

Ich ergriff das Omen, und wir schieden im besten Humor, in der Hoffnung eines baldigen Wiedersehns.
Goethe, Italienische Reise

Heitere Noten

»Does Humor belong in music?« fragte Frank Zappa 1986, und seitdem ist die Frage nicht abschließend beantwortet. Bisweilen mag Klang aus eigener Kraft grotesk oder lächerlich erscheinen – wirkliche Komik entfaltet er aber erst im Spiel mit den Inkongruenzen zwischen Text und Musik.

In dieser Tradition stehen die hier im letzten Monat erwähnten »Flight Of The Conchords«, laut eigenen Angaben »Neuseelands viertpopulärstes Folk-Duo«, die ohne die gleichnamige HBO-Serie womöglich nur das fünft- oder sechstpopulärste Duo geworden wären. Sie, die Serie nämlich, erzählte vom Alltag zweier Musiker, Bret McKenzie und Jemaine Clement, die »es« in New York versuchen – und scheitern. 2009 zogen sich McKenzie und Clement wieder ins abseitige Neuseeland zurück, um sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen (es reichte immerhin für zwei Staffeln, zwei Alben und einen Grammy). Im Gedächtnis der gewogenen Öffentlichkeit geblieben sind Klassiker wie »The Most Beautiful Girl In The Room« (»And when you’re on the street, depending on the street, I’ll bet you are definitely in the top three«), eine neurotische Anverwandlung von Prince. Zeitlos auch »Inner City Pressure«, mit inhaltlichen und ästhetischen Anleihen bei den Pet Shop Boys (»No one cares, no one sympathizes, you just stay home and play synthesizers«). Die üblichen Topoi der Popmusik, vom Liebeskummer über den Weltschmerz bis zum Ennui – hier werden sie auf erlösende Weise um ihren schweren Ernst erleichtert.

Für ein paar Konzerte sind Flight Of The Conchords nun kürzlich zurückgekehrt. Auf dem Album »Live in London« ist nachzuhören, was daran funktioniert hat – und was nicht. Kein Verlust ist das Fehlen der Spielszenen, die schon in der Serie immer nur erzählerische Zufahrtsrampen für die Songs waren. Zur Bewunderung ausgestellt ist hier jedoch die Wandlungsfähigkeit, mit der die Musiker mühelos zwischen Travestien auf David Bowie (»Bowie«), Bryan Adams (»Summer Of 1354«), Cat Stevens (»Father And Son«) und Serge Gainsbourg (»Foux du Fafa«) wechseln. Leider kann nicht noch einmal enthüllt werden, was bereits enthüllt worden ist; man lauscht dem Bekannten mit mildem Wohlwollen.

Komischer Mehrwert allerdings ergibt sich aus den Ansagen zwischen den Songs, die Parodien auf Ansagen zwischen Songs sind. Hübsch auch der Auftritt des neuseeländischen Sinfonieorchesters, das aus einem einzigen Typen namens »Nigel« besteht. Oder der unvermeidliche Hinweis der Mittvierziger auf ihr Altern: »Wir hier oben erinnern euch an eure eigene Sterblichkeit. Für uns ist es auch schwierig, weil ihr auch älter geworden seid. Das tut uns leid. Aber wenn das so ist, dann lasst uns die Zeit genießen, die uns noch bleibt!«

Was bleibt, ist Nostalgie. Und die kann eine heitere Note haben; mehr aber auch nicht.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Gute Frage, liebe »Süddeutsche«!

»Warum haben wir so viele Dinge und horten ständig weiter? Und wie wird man diese Gier wieder los?« teast Du Dein Magazin an, dasselbe, das einzig und allein als werbefreundliches Vierfarb-Umfeld für teuren Schnickschnack da ist.

Aber löblich, dass Du dieses für Dich ja heißeste aller Eisen anpackst und im Heft empfiehlst: »Man kann dem Kaufimpuls besser widerstehen, wenn man einen Schritt zurücktritt und sich fragt: Wer will, dass ich das haben will?«

Und das weiß niemand besser als Du und die Impulskundschaft von Titanic

 Clever, »Brigitte«!

Du lockst mit der Überschrift »Fünf typische Probleme intelligenter Menschen«, und wir sind blöd genug, um draufzuklicken. Wir lernen, dass klug ist: wer mehr denkt, als er spricht, wer sich ungeschickt im Smalltalk anstellt, wer sich im Job schnell langweilt, wer sich mit Entscheidungen schwertut, wer bei Streit den Kürzeren zieht und wer ständig von Selbstzweifeln geplagt wird.

Frustriert stellen wir fest, dass eigentlich nichts von alledem auf uns zutrifft. Und als die Schwachköpfe, die wir nun einmal sind, trauen wir uns fast gar nicht, Dich, liebe Brigitte, zu fragen: Waren das jetzt nicht insgesamt sechs Probleme?

Ungezählte Grüße von Deiner Titanic

 Helen Fares, c/o »SWR« (bitte nachsenden)!

Sie waren Moderatorin des Digital-Formats MixTalk und sind es nun nicht mehr, nachdem Sie ein launiges kleines Video veröffentlicht haben, in dem Sie zum Boykott israelischer Produkte aufriefen, mit Hilfe einer eigens dafür programmierten App, die zielsicher anzeigt, wo es in deutschen Supermärkten noch immer verjudet zugeht (Eigenwerbung: »Hier kannst Du sehen, ob das Produkt in Deiner Hand das Töten von Kindern in Palästina unterstützt oder nicht«).

Nach Ihrem Rauswurf verteidigten Sie sich in einem weiteren Video auf Instagram: »Wir sind nicht antisemitisch, weil wir es boykottieren, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die Israel unterstützen. Ein Land, das sich vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Genozid verantworten muss, weil es Zehntausende von Menschen abgeschlachtet hat.« Da sich aber auch Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Beihilfe zum Genozid verantworten muss, war Ihre Kündigung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ja ohnehin einvernehmlich, oder?

Kann es sich nicht anders vorstellen: Titanic

 Ach, Scheuer-Andi,

wie der Spiegel meldet, wird niemand für Sie in den Bundestag nachrücken. Da scheinen die Fußstapfen wohl einfach zu groß zu sein.

Die Besten gehen immer zu früh …

Weiß Titanic

 Chillax, Friedrich Merz!

Sie sind Gegner der Cannabislegalisierung, insbesondere sorgen Sie sich um den Kinder- und Jugendschutz. Dennoch gaben Sie zu Protokoll, Sie hätten »einmal während der Schulzeit mal einen Zug dran getan«.

Das sollte Ihnen zu denken geben. Nicht wegen etwaiger Spätfolgen, sondern: Wenn ein Erzkonservativer aus dem Sauerland, der fürs Kiffen die Formulierung »einen Zug dran tun« wählt, schon in der Schulzeit – und trotz sehr wahrscheinlichem Mangel an coolen Freund/innen – an Gras kam, muss dann nicht so ziemlich jedes andere System besseren Jugendschutz garantieren?

Sinniert

Ihre Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
23.05.2024 Bielefeld, Theaterlabor Max Goldt
24.05.2024 Dresden, Buchladen Tante Leuk Thomas Gsella
30.05.2024 Frankfurt, Museum für Komische Kunst »POLO«
30.05.2024 Frankfurt, Museum für Komische Kunst Hans Traxler: »Die Dünen der Dänen«