Humorkritik | Februar 2019

Februar 2019

Ich halte es ohnehin mit einem Spruch, den ich vor langer Zeit gehört habe: Werde die Person, mit der du gern zusammen wärst. Wenn du gern mit jemandem verheiratet wärst, der einen guten Humor hat – entwickle selbst diesen Humor.
Gloria Allred

Köppel, der komische Konvertit

Neulich, bei einer Zusammenkunft ähnlich gesetzter Herren, wie ich es bin, behauptete einer, der Schweizer Journalist Roger Köppel habe seine ersten und vermutlich besten Texte Anfang der Neunziger für die »Neue Zürcher Zeitung« geschrieben, über Popmusik und Sport; sei also Pop- und Bob-Experte zugleich gewesen. Das erheiterte mich. Da ich im Archiv besagter Zeitung für die Behauptung keinen Beleg finden konnte, besorgte ich mir als Übersprunghandlung jenes Buch, das in der Schweiz gerade Schlagzeilen macht: »In Badehosen nach Stalingrad«, eine Biographie über Köppel und seinen »langen Weg« von links nach rechts (Echtzeit Verlag).

Ganz nüchtern wirft der Journalist Daniel Ryser darin einen Blick auf diesen Weg, der, so finde ich, etwas ausgesprochen Komisches hat. Zwar warnt ein gewisser Adorno, »Komödien über den Faschismus« machten sich »zu Komplizen jener törichten Denkgewohnheit, die ihn vorweg für geschlagen hält«; doch räumt er auch ein, dass in unserer Zeit Kunst nie mehr »ganz ernst« sein könne und »Gattungen sich verfransen«. Es bleibt offen, ob Faschisten eine linke Vergangenheit haben müssen, um wenigstens eine gewisse Würde auszustrahlen, oder ob gerade das sie noch lächerlicher wirken lässt. Ich tendiere zu letzterer Ansicht: Die Selbstverständlichkeit, mit der angeblich wertfreie Begriffe wie »Asylwelle«, »Auschwitzkeule« oder »Heimatboden« in den Raum gedonnert werden, lässt den, der das tut, wie einen Nachzügler wirken, der immer ein bisschen zu forsch die Weisheiten propagiert, die er erst mit Verspätung aufgeschnappt hat.

Von diesem Nachzuckeln des Renegaten zeugt »In Badehosen nach Stalingrad« geradezu mustergültig. Der allmählich kippende Roger Köppel, wie er aus der Beschreibung vornehmlich seiner Ex-Kollegen hervorgeht, ist eine verbissene, ihre Gefühle unterdrückende Redemaschine, die einen Talkshowauftritt nach dem anderen absolviert, Ryser noch spätnachts SMS mit Musikempfehlungen schickt, um zu beweisen, dass er ’68 nicht hasst, ihn (Provokation oder Tolpatschigkeit?) aus der Buchhandlung eine Albert-Speer-Biographie abholen lässt und noch bei Tempo 100 auf der Autobahn die totale Kontrolle behält: »Köppel lässt die Scheibe runter, und als wir auf selber Höhe sind, brüllt er an mir vorbei: ›Hej, du, hej, gohts no? Hej, hej … Bischt du nöd ganz …?‹ Er wedelt wie ein Scheibenwischer mit der rechten Hand vor seinem Gesicht herum.« Dabei, so erfahren wir, hat Köppel erst kurz zuvor die Fahrprüfung gemacht.

Früher, als Chefredakteur des »Tagesanzeiger-Magazins«, druckte er Zeichnungen von Manfred Deix und provozierte wutbürgerliche Leserbriefschreiber mit Rezepten wie »Erbrochenes vom Hund mit Koriander«. »Er ist zu einem komplett anderen Menschen geworden«, wird sein ehemaliger Chefredakteur beim »Magazin« zitiert. »Als hätte er sich eine Maske übergezogen. Der weltläufige Köppel von damals hätte über den schweizerdeutsch-hochdeutsch sprechenden Köppel von heute den Kopf geschüttelt.« Diese Selbstverdopplung bildet ein weiteres Moment des Komischen am Konvertitentum: »Er hatte damals ein großes Talent: Er konnte mit ernster Miene irgendeinen Blödsinn erzählen, so dass alle irritiert waren, und erst nach einigen Minuten löste er die Sache dann als Scherz auf. Wenn er heute mit ernster Miene von Kriminalstatistiken und Asylbewerbern redet, erinnert mich das ein wenig an damals«, erzählt ein ehemaliger Lehrer. Mit Leidenschaft habe Köppel Panzermodelle gebastelt, erinnert sich ein Jugendfreund, und heute verwende er bevorzugt Kriegsmetaphern: »Mein Leben, Herr Ryser, das kann ich Ihnen sagen, mein Leben ist eine Aneinanderreihung von Fehlleistungen – und trotzdem marschiert man einfach immer weiter.« Als eine der schönsten Fehlleistungen Köppels darf dabei gelten, sich vom Interviewfälscher Tom Kummer übers Ohr hauen zu lassen – und zwar gleich zweimal im Abstand von gut fünfzehn Jahren.

Auch das Männerbündische kommt nicht zu kurz im Leben des Besitzers der »Weltwoche« (deren stellvertretender Chefredakteur Philipp Gut gerne die »Homosexualisierung der Gesellschaft« beklagt). Anderes überrascht: »Ein Name tauchte immer wieder auf, als ich über Roger Köppels Zeit in Berlin recherchierte: jener der Schlagersängerin Vicky Leandros. Die beiden lernten sich 2005 bei einem Gala-Dinner kennen, als die damals 52jährige Leandros gerade dabei war, sich nach neunzehn Jahren von ihrem Ehemann Enno Freiherr von Ruffin zu trennen, und von Hamburg nach Berlin-Mitte zog«. Außerdem betrieb Köppel in seiner Jugend intensiv Hockey bei einem Club namens »Paradox«. Wie sang einst ein großes Sängertalent der BRD-GmbH: »Wo willst du hin? / Denn es macht jetzt keinen Sinn«.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Im andalusischen Sevilla hast Du eine Kontroverse ausgelöst, der Grund: Auf dem Plakat für das Spektakel »Semana Santa« (Karwoche) habest Du zu freizügig ausgesehen, zu erotisch, ja zu hot!

Tja, und wie wir das besagte Motiv anschauen, verschlägt es uns glatt die Sprache. Dieser sehnsüchtige Blick, der kaum bedeckte anmutige Körper! Da können wir nur flehentlich bitten: Jesus, führe uns nicht in Versuchung!

Deine Dir nur schwer widerstehenden Ungläubigen von der Titanic

 Ah, »Galileo«!

Über die Arbeit von Türsteher/innen berichtest Du: »Viele Frauen arbeiten sogar als Türsteherinnen«. Wir setzen noch einen drauf und behaupten: In dieser Branche sogar alle!

Schmeißen diese Erkenntnis einfach mal raus:

Deine Pointen-Bouncer von Titanic

 Hello, Grant Shapps (britischer Verteidigungsminister)!

Eine düstere Zukunft haben Sie in einem Gastbeitrag für den Telegraph zum 75jährigen Bestehen der Nato skizziert. Sie sehen eine neue Vorkriegszeit gekommen, da sich derzeit Mächte wie China, Russland, Iran und Nordkorea verbündeten, um die westlichen Demokratien zu schwächen. Dagegen hülfen lediglich eine Stärkung des Militärbündnisses, die weitere Unterstützung der Ukraine und Investitionen in Rüstungsgüter und Munition. Eindringlich mahnten Sie: »Wir können uns nicht erlauben, Russisch Roulette mit unserer Zukunft zu spielen.«

Wir möchten aber zu bedenken geben, dass es beim Russisch Roulette umso besser fürs eigene Wohlergehen ist, je weniger Munition im Spiel ist und Patronen sich in der Trommel befinden.

Den Revolver überhaupt vom eigenen Kopf fernhalten, empfehlen Ihre Croupiers von der Titanic

 Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Nachdem Sie eine Klage wegen Rufschädigung eingereicht haben, wird nun voraussichtlich ein Prozess gegen den britischen Rockstar Brian Molko eingeleitet. Dieser hatte Sie bei einem Konzert seiner Band Placebo in Turin als Nazi und Faschistin bezeichnet.

Wir finden, da könnten Sie sich mal etwas lockermachen. Wer soll denn bitte noch durchblicken, ob Sie gerade »Post-«, »Proto-« oder »Feelgood-« als Präfix vor »Faschistin« bevorzugen? Und: Wegen solcher Empflichkeiten gleich vor Gericht zu gehen, kostet die Justiz so viel wertvolle Zeit. Die könnte sie doch auch nutzen, um Seenotretter/innen dingfest zu machen oder kritische Presse auszuschalten. Haben Sie darüber schon mal nachgedacht, Sie Snowflake?

Schlägt ganz gelassen vor: Titanic

 Ach, Scheuer-Andi,

wie der Spiegel meldet, wird niemand für Sie in den Bundestag nachrücken. Da scheinen die Fußstapfen wohl einfach zu groß zu sein.

Die Besten gehen immer zu früh …

Weiß Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
06.05.2024 Hannover, Pavillon Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
06.05.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner
07.05.2024 Köln, Stadthalle Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
07.05.2024 Frankfurt am Main, Club Voltaire »TITANIC-Peak-Preview« mit Kathrin Hartmann