Humorkritik | September 2018

September 2018

Tragisches ist ja deshalb herzzerreißend, weil uns die Komik genommen wird. Das Lachen wird uns aus dem Mund herausgestohlen.
Simon Stone

Ursache – Wirkung

Im Magazin der »Süddeutschen Zeitung« las ich ein Interview zur Frage, ob Computer Witze machen könnten. Damit beschäftigten sich zwei amerikanische Experten, Bob Mankoff, zwanzig Jahre lang Cartoon-Chef des »New Yorker«, und Jamie Brew, Programmierer und Comedian dazu. Wenn ich die beiden recht verstanden habe, scheitern die Versuche, digitale Komik zu programmieren, bisher daran, dass Computer zwar Witzmuster erkennen und (über)erfüllen können, aber unfähig sind, die gelernten Regeln zu durchbrechen oder überraschend zu unterlaufen. Einen Grund dafür nennt Mankoff als Antwort auf die Schlussfrage, worin er »die größte Stärke des Menschen im Vergleich zum Computer« sehe: »Im Nichtstun. Kein Computer wird dazu je in der Lage sein.« Und das edle Nichtstun gebiert bekanntlich das Schöne. Darunter die Komik.

Was mich seither beschäftigt, ist die bange Anschlussfrage: Verlieren Menschen, die über Jahre hinweg mit Computern umgehen und sich an ein logisch aufgebautes, verlässliches Ursache-Wirkung-Verhältnis gewöhnt haben – und das sind heutzutage praktisch alle Menschen –, die Fähigkeit, Komik zu erkennen, sofern sie nicht ausdrücklich angekündigt ist? Einiges, was ich von alten Freunden und Komikproduzenten höre, scheint darauf hinzuweisen. Sobald ihr Produkt von gewohnten Witzmustern abweiche, klagen sie, werde die Absicht nicht mehr erkannt und die gewünschte Reaktion bleibe aus. Das mir zugetragene Beispiel: Eine Kette von Synonymen, paarweise angeordnet, aber jeweils durch ein vergleichendes »oder« einander gegenübergestellt, wurde zunächst akzeptiert – bis ein besonders findiger Abnehmer erkannte, dass es sich gar nicht um Widerspruchspärchen handelte. Dass eben darin der Witz liegen sollte, erkannte keiner.

Allerdings war es in diesem Fall die Unterhaltungsredaktion eines großen Fernsehsenders, die sich so ironiefest zeigte. Und da liegt nun die Vermutung nahe, dass nicht deren Computerähnlichkeit für das Missverständnis verantwortlich war, sondern die Annahme, für ein erzdummes Publikum zu produzieren. Es mag sogar sein, dass diese in TV-Anstalten gängige Unterstellung die Produzenten am Ende dümmer macht als ihre Kunden. So oder so fände ich es bedauerlich, wenn der nicht annoncierte spielerische Umgang mit Sprache bald auf der Liste bedrohter Arten von Komik erscheinen würde.

Und das ist durchaus ernst gemeint.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg