Humorkritik | September 2018
September 2018
Tragisches ist ja deshalb herzzerreißend, weil uns die Komik genommen wird. Das Lachen wird uns aus dem Mund herausgestohlen.
Simon Stone

Dreifaltig einfältig
»Ein Rabbi, ein Imam und ein Pfarrer gründen eine Band«: Die Beschreibung von Fabrice Éboués Film »Ein Lied in Gottes Ohr« (Originaltitel: »Coexister«) klingt wie der Anfang eines erzählten Witzes. Neugierig, ob der Witz auch eine Pointe hat, ging ich ins Kino. Und tatsächlich wirkt der Film anfangs wie die bloße Aneinanderreihung von Klischees: Pfarrer Benoît ist ein säuselnder Moralapostel, David ein ehemaliger Rabbi, den nach einem Beschneidungsunfall bei einer Bar Mitzwa Schuldgefühle und Depressionen plagen, welche er nur mit Hilfe einer Nasenspraylösung aus Totes-Meer-Salz lindern kann. Wenigstens Moncef ist kein wirklicher Imam, sondern ein arabischstämmiger Musiker mit Alkoholproblem. Als der Produzent Nicolas sie zusammenführt, um mit ihnen eine Band zu gründen und ein interreligiöses Zeichen zu setzen, kommt es zu scheinbar unüberwindbaren Differenzen (Antisemitismus, Pädophilie in der Kirche etc.); sämtliche Vorurteile werden nach bekanntem Schema abgearbeitet und nach mehreren Krisen überwunden, die interkulturelle Harmonie gipfelt in der finalen Darbietung des Pop-Hits »Coexister« vor jubelndem Publikum.
Eine Handvoll netter Gags gibt es wohl. Zum Beispiel musste ich schmunzeln, als Rabbi David ahnt, dass an »Imam« Moncef etwas faul ist, ihm nachspioniert und dabei beobachtet, wie er auf einer Parkbank, sich alleine wähnend, eine Flasche Wein nicht nur leert, sondern ihr zu allem Überfluss noch einen Kuss gibt. Insgesamt aber wäre der gesamte Film nicht der Rede wert, wäre er nicht so bezeichnend für den anhaltenden Trend der französischen Culture-Clash-Komödie. Das Prinzip, in Zeiten der Diskussion über politische Korrektheit aktuelle Konflikte einigermaßen rücksichtslos zu bewitzeln, wäre ja ein gutes, wenn die Handlung nicht so oberflächlich bleiben und sich derart vorhersehbar in Wohlgefallen auflösen würde. »Ist es nicht riskant, etwas über Religion zu machen in diesen Zeiten?« fragt Nicolas’ Assistentin, worauf dieser sinngemäß mit »Jetzt erst recht!« antwortet. Doch ohne ein Mindestmaß an Irritation bleibt das bloße Verwursten von gesellschaftlichen Spannungen fad. Es wirkt, als ob Komödien dieser Machart produziert werden, um die damit verbundenen Ängste des bildungsbürgerlichen Programmkinopublikums, das im täglichen Leben ja eher selten mit solchen Konflikten in Berührung kommt, mit seichtem Witz und ein wenig französischer Lebensart fortzuspülen. Als wollte man sie mit der Gewissheit ins Bett schicken, dass alles schon irgendwie gutgehen wird.
Wer im Jahr 2018 noch aufrichtig über Rabbis mit E-Gitarre lachen kann, der wird aber auch an »Ein Lied in Gottes Ohr« Gefallen finden.