Humorkritik | September 2018

September 2018

Tragisches ist ja deshalb herzzerreißend, weil uns die Komik genommen wird. Das Lachen wird uns aus dem Mund herausgestohlen.
Simon Stone

Nobody is perfect

Jemand muss Guido Knopp gesagt haben, dass es auch im posthitlerischen Zeitalter noch Frauen gibt. Auf den Gedanken könnte man kommen, hört man die Einleitung zur französischen Doku-Reihe »Despot Housewives – Die Frauen der Diktatoren«, hierzulande im ZDF zu sehen: »Sie stehen im Schatten und sind dennoch im Zentrum der Macht: die Frauen der Diktatoren und Autokraten. Manche sind Opfer; aber nicht selten sind sie auch die Drahtzieher. Als fürsorgliche First Ladies getarnt, engagieren sie sich für Frauen und Kinder. Doch ihre Spitznamen verraten ihr wahres Ich: ›Luzifer‹, ›Drachen‹, ›Lady Genocide‹ oder auch ›Lehrling des Faschismus‹. Wie viel Macht haben sie? Und welche Verantwortung tragen sie für die Taten ihrer Ehemänner?«

Der Ablauf ist in jeder Folge gleich: Zu vergnüglich-soapiger Musik wird der Lebenslauf des jeweiligen Genocide-Drachens gezeigt – Kennenlernen des Mannes im revolutionären Kampf (Jugendfotos, Weichzeichner!), Heirat, Machtergreifung, Machtausübung, Gewalt, Folter. Meine Lieblingsfolge ist jene mit dem Titel »Genossin Nummer Eins«: Faltig wie eine alte Diakonisse sitzt darin Frau Hodscha aus Albanien vor der Kamera und bezeichnet sich ironisch als »der Superkiller«: »Ich hatte entschieden, wer leben oder sterben sollte.« Nach der Diktatur wurde sie, um nicht für echte Verbrechen angeklagt zu werden, im sogenannten »Kaffeeurteil« wegen Bestellung von zu viel Kaffee auf Staatskosten zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt – und hatte Zeit zu räsonieren. Sie erwägt Altersmilde (»Vielleicht hätten wir mehr Nachsicht haben sollen«) und verwirft sie sogleich (»Aber die Häftlinge waren nicht im Gefängnis, weil sie unschuldig waren«), stutzt Frau Ceauc¸escu zurecht (»Angeberin«, »unglaublich oberflächlich«) und vergleicht Enver und sich mit anderen Paaren, zum Beispiel den Milos˘evic¸s (ganz andere Nummer, »die hatten ja Vernichtungslager«). Bald erscheint Frau Milos˘evic¸ auf dem Schirm und wird dabei gefilmt, wie sie im Fernsehen den Prozess gegen ihren Gatten anschaut: »Ihre Liebe gründet auf ihrem politischen Engagement«. Frau Gbagbo von der Elfenbeinküste wiederum ist gar »schlimmer als ihr Ehemann«, der nur an der Macht bleiben wollte, »weil seine Frau ihn dazu zwang«; dafür arbeitete sie laut ihrer Schwester immerhin fleißig »im sozialen Bereich, um so die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern«, und war so friedliebend, dass sie »nicht einmal ein Huhn töten« konnte. »Hitler konnte auch kein Huhn töten«, antwortet im Gegenschnitt der Menschenrechtsminister.

En passant erfährt man auch von liebenswerten Schrullen: Frau Pinochet etwa hört nachts ihren toten Mann an der Tür klappern; Frau Franco war eine »treue Anhängerin der Heiligen Theresa« und »trug immer eine Reliquie bei sich«, und Frau Marcos bezeichnet sich stolz als die »gierigste Frau der Welt«, besitzt einen »Baukomplex«, fünf Milliarden Dollar Privatvermögen aus der philippinischen Staatskasse und 3000 Paar Schuhe. »Die im Volk brauchen jemanden, den sie anhimmeln können«, weiß sie. »Und jemanden, der die Standards setzt. Masse folgt Klasse.« Man könne nicht übertreiben, »wenn es um Schönheit geht«. Wohl aber bei Hässlichkeit: »Das ist ein Verbrechen!«

Immer wieder wird hier der übliche sonore History-Kommentar vom Ressentiment ins Geifernde getrieben; die Serialität macht das Ganze noch bizarrer. Frau Arafat fungiert dabei als eine Art Meta-Frau, die in allen Folgen ein Gutteil der anderen Schicksale kommentieren darf (»Die Klugen gehen, wenn es Zeit ist zu gehen«), von ihr erfährt man auch über regelmäßige Treffen der Gattinnen untereinander. Spin-offs deuten sich an.

»In der Bibel steht: Niemand ist perfekt«, meint Frau Taylor aus Liberia. Es klingt versöhnlich.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Helen Fares, c/o »SWR« (bitte nachsenden)!

Sie waren Moderatorin des Digital-Formats MixTalk und sind es nun nicht mehr, nachdem Sie ein launiges kleines Video veröffentlicht haben, in dem Sie zum Boykott israelischer Produkte aufriefen, mit Hilfe einer eigens dafür programmierten App, die zielsicher anzeigt, wo es in deutschen Supermärkten noch immer verjudet zugeht (Eigenwerbung: »Hier kannst Du sehen, ob das Produkt in Deiner Hand das Töten von Kindern in Palästina unterstützt oder nicht«).

Nach Ihrem Rauswurf verteidigten Sie sich in einem weiteren Video auf Instagram: »Wir sind nicht antisemitisch, weil wir es boykottieren, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die Israel unterstützen. Ein Land, das sich vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Genozid verantworten muss, weil es Zehntausende von Menschen abgeschlachtet hat.« Da sich aber auch Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Beihilfe zum Genozid verantworten muss, war Ihre Kündigung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ja ohnehin einvernehmlich, oder?

Kann es sich nicht anders vorstellen: Titanic

 Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Die Bunte zitiert Sie mit der Aussage: »Um zu überleben, muss man gesund sein, und wenn man am gesündesten ist, sieht man einfach auch am jüngsten aus!« Gut, dass Sie diese Erkenntnis an uns weitergeben!

Geht jetzt zur Sicherheit bei jeder neuen Falte, Cellulitedelle und grauen Strähne zum Arzt:

Ihre greise Redaktion der Titanic

 Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Nachdem Sie eine Klage wegen Rufschädigung eingereicht haben, wird nun voraussichtlich ein Prozess gegen den britischen Rockstar Brian Molko eingeleitet. Dieser hatte Sie bei einem Konzert seiner Band Placebo in Turin als Nazi und Faschistin bezeichnet.

Wir finden, da könnten Sie sich mal etwas lockermachen. Wer soll denn bitte noch durchblicken, ob Sie gerade »Post-«, »Proto-« oder »Feelgood-« als Präfix vor »Faschistin« bevorzugen? Und: Wegen solcher Empflichkeiten gleich vor Gericht zu gehen, kostet die Justiz so viel wertvolle Zeit. Die könnte sie doch auch nutzen, um Seenotretter/innen dingfest zu machen oder kritische Presse auszuschalten. Haben Sie darüber schon mal nachgedacht, Sie Snowflake?

Schlägt ganz gelassen vor: Titanic

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

 Hello, Grant Shapps (britischer Verteidigungsminister)!

Eine düstere Zukunft haben Sie in einem Gastbeitrag für den Telegraph zum 75jährigen Bestehen der Nato skizziert. Sie sehen eine neue Vorkriegszeit gekommen, da sich derzeit Mächte wie China, Russland, Iran und Nordkorea verbündeten, um die westlichen Demokratien zu schwächen. Dagegen hülfen lediglich eine Stärkung des Militärbündnisses, die weitere Unterstützung der Ukraine und Investitionen in Rüstungsgüter und Munition. Eindringlich mahnten Sie: »Wir können uns nicht erlauben, Russisch Roulette mit unserer Zukunft zu spielen.«

Wir möchten aber zu bedenken geben, dass es beim Russisch Roulette umso besser fürs eigene Wohlergehen ist, je weniger Munition im Spiel ist und Patronen sich in der Trommel befinden.

Den Revolver überhaupt vom eigenen Kopf fernhalten, empfehlen Ihre Croupiers von der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
05.05.2024 Bonn, Rheinbühne Thomas Gsella
05.05.2024 Magdeburg, Factory Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
06.05.2024 Hannover, Pavillon Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
06.05.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner