Humorkritik | Mai 2018

Mai 2018

Die mit Abstand lustigste Zahl ist 123.
Prof. Dr. Christian Hesse, Ph. D.

Standardwerk

Der Gießener Germanist Uwe Wirth hat im Metzler-Verlag ein Handbuch für Komikinteressierte herausgegeben. »Komik«, so der unprätentiöse Titel des Bandes, ist nicht sehr dick geraten, aber dennoch ein Werk von Gewicht. Es informiert im ersten Teil zuverlässig über oft durcheinandergebrachte Grundbegriffe des Komischen wie »Witz«, »Ironie«, »Satire« oder »Parodie« und betont dabei völlig zu Recht, daß der Zusammenhang zwischen Komik und Lachen weniger eng ist, als man oft vermutet. Der zweite Teil des Buches gibt einen Überblick über diverse methodische Zugänge zum Komischen, der dritte Teil ist schließlich dessen medialen Formen gewidmet. Was das Werk zu einem wertvollen Hilfsmittel für Leser der unterschiedlichsten Art macht, ist aber sein interdisziplinärer Charakter: Schlägt es ein Philosoph auf, so kann er unter anderem erfahren, daß die theoretische Reflexion des Komischen mindestens bis zu Platons Dialog Philebos zurückreicht und daß Nicolai Hartmann den Humor explizit als »Sinn für das Komische« bestimmte. Eine Kunsthistorikerin wird sich eher für die Zusammenhänge interessieren, in denen die Verdammung der grotesken Malerei durch das tridentinische Konzil steht. Angesprochen werden aber nicht nur Spezialisten wie die Pragmalinguistin, die allen Grund zur Freude hat – ist sie doch eine Vertreterin derjenigen Disziplin, in der die eigentliche Erforschung des Sarkasmus beginnt –, sondern auch ganz normale Frankfurter, die sich darüber freuen dürfen, daß schon Goethe »sogenannte Berliner Witze« (laut Tagebuchnotiz aus dem Jahr 1828) ziemlich platt fand.

Mich persönlich hat von den insgesamt siebenundzwanzig Kapiteln des Handbuchs übrigens das vierundzwanzigste besonders interessiert. Hier geht es um einen Teilbereich meines Spezialgebiets, mit dem ich mich selten beschäftige, nämlich um die musikalische Komik. Und hier lese ich, daß Beethoven mitunter absichtlich Synkopen komponiert hat, die in der korrekten Ausführung so klingen, als wäre der Pianist nicht dazu in der Lage, mit beiden Händen synchron zu spielen. Ein Glück, daß ich kein Konzertpianist bin, sondern Humorkritiker: Als solcher erwähne ich zu guter Letzt die zahlreichen nützlichen Hinweise auf weiterführende Literatur, die sich in »Komik« finden, und empfehle das Handbuch schon ihretwegen jedem komischen Haushalt.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Chillax, Friedrich Merz!

Sie sind Gegner der Cannabislegalisierung, insbesondere sorgen Sie sich um den Kinder- und Jugendschutz. Dennoch gaben Sie zu Protokoll, Sie hätten »einmal während der Schulzeit mal einen Zug dran getan«.

Das sollte Ihnen zu denken geben. Nicht wegen etwaiger Spätfolgen, sondern: Wenn ein Erzkonservativer aus dem Sauerland, der fürs Kiffen die Formulierung »einen Zug dran tun« wählt, schon in der Schulzeit – und trotz sehr wahrscheinlichem Mangel an coolen Freund/innen – an Gras kam, muss dann nicht so ziemlich jedes andere System besseren Jugendschutz garantieren?

Sinniert

Ihre Titanic

 Hoppla, Berliner Gefängnischefs!

Drei von Euch haben laut Tagesspiegel wegen eines Fehlers der schwarz-roten Regierungskoalition statt einer Gehaltserhöhung weniger Geld bekommen. Aber der Ausbruch von Geldnöten soll durch einen Nachtragshaushalt verhindert werden. Da ja die Freundschaft bekanntlich beim Geld endet: Habt Ihr drei beim Blick auf Eure Kontoauszüge mal kurz über eine Ersatzfreiheitsstrafe für die nachgedacht, die das verbrochen haben?

Wollte diese Idee nur mal in den Raum stellen: Titanic

 Ganz schön kontrovers, James Smith,

was Du als Mitglied der britischen Band Yard Act da im Interview mit laut.de vom Stapel gelassen hast. Das zu Werbezwecken geteilte Zitat »Ich feiere nicht jedes Cure-Album« hat uns jedenfalls so aufgewühlt, dass wir gar nicht erst weitergelesen haben.

Wir mögen uns nicht ausmalen, zu was für heftigen Aussagen Du Dich noch hast hinreißen lassen!

Findet, dass Provokation auch ihre Grenzen haben muss: Titanic

 Hello, Grant Shapps (britischer Verteidigungsminister)!

Eine düstere Zukunft haben Sie in einem Gastbeitrag für den Telegraph zum 75jährigen Bestehen der Nato skizziert. Sie sehen eine neue Vorkriegszeit gekommen, da sich derzeit Mächte wie China, Russland, Iran und Nordkorea verbündeten, um die westlichen Demokratien zu schwächen. Dagegen hülfen lediglich eine Stärkung des Militärbündnisses, die weitere Unterstützung der Ukraine und Investitionen in Rüstungsgüter und Munition. Eindringlich mahnten Sie: »Wir können uns nicht erlauben, Russisch Roulette mit unserer Zukunft zu spielen.«

Wir möchten aber zu bedenken geben, dass es beim Russisch Roulette umso besser fürs eigene Wohlergehen ist, je weniger Munition im Spiel ist und Patronen sich in der Trommel befinden.

Den Revolver überhaupt vom eigenen Kopf fernhalten, empfehlen Ihre Croupiers von der Titanic

 Warum, Internet?

Täglich ermöglichst Du Meldungen wie diese: »›Problematisch‹: Autofahrern droht Spritpreis-Hammer – ADAC beobachtet Teuer-Trend« (infranken.de).

Warum greifst Du da nicht ein? Du kennst doch jene Unsichtbar-Hand, die alles zum Kapitalismus-Besten regelt? Du weißt doch selbst davon zu berichten, dass Millionen Auto-Süchtige mit Dauer-Brummbrumm in ihren Monster-Karren Städte und Länder terrorisieren und zum Klima-Garaus beitragen? Und eine Lobby-Organisation für Immer-Mehr-Verbrauch Höher-Preise erst verursacht?

Wo genau ist eigentlich das Verständlich-Problem?

Rätselt Deine alte Skeptisch-Tante Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg