Humorkritik | Dezember 2018

Dezember 2018

Wir lachen, weil wir glauben, dass es ein Witz ist.
Fiston Mwanza Mujila, »Zu der Zeit der Königinmutter«

Karl Kraus zum Zweiten

Auch der zweite von Dietmar Goltschnigg im Erich-Schmidt-Verlag herausgegebene Sammelband mit Texten über »Karl Kraus im Urteil literarischer und publizistischer Kritik« hat mich gefesselt. Den ersten hatte ich hier letztes Jahr gewürdigt, und der zweite, der Aufsätze und Urteile aus den Jahren 1945 bis 2016 umfasst, ist ebenso gründlich ediert und kommentiert wie der Vorgängerband. Und er bestätigt den alten Befund, dass gerade jene schwatzhaften Journalisten, von denen man ahnt, dass der Polemiker Kraus mit ihnen grausam umgesprungen wäre, am schlechtesten auf ihn zu sprechen gewesen sind und sich eingebildet haben, sie könnten sein Lebenswerk mit ein paar flapsigen Bemerkungen abtun. Den Beweis für diese These treten in diesem Band vor allem zwei verblichene Literaturpäpste an: »Eitelkeit und Geltungssucht dieses Schriftstellers kannten keine Grenzen, sein Ehrgeiz wurde nur noch von seiner Selbstgerechtigkeit übertroffen« (Marcel Reich-Ranicki). »Von der ersten Minute der ›Fackel‹ an verrennt er sich in Figuren, hasst er sich heiß an einer Person; und statt mit kühlem Verstand Strömungen oder Vergiftungen dieser Welt zu analysieren, moniert er Laut-Krusten« (Fritz J. Raddatz). Aber auch die nachgeborenen Messdiener Niklas Maak und Volker Weidermann sind mit einer bemerkenswert törichten Einlassung über das ihnen verderblich erscheinende »Kraus-Gift« vertreten: »Schreiben im Modus des Verdachts, des Misstrauens, des Schnüffelns nach Fehlern, statt frei heraus das Schöne zu lieben.« Als hätte Kraus kleinlich nach »Fehlern« geschnüffelt und nicht in den journalistischen Phrasen seiner Zeit den Blutdurst gewittert, auf den sie im Ersten Weltkrieg und in der brutalen österreichischen Sexual- und Klassenjustiz hinausliefen. Possierlich wäre es allerdings gewesen, wenn ein wohlmeinender »Fackel«-Leser Kraus während seines Kampfes gegen den berüchtigten Großverleger und Erpresser Imre Békessy mit den Worten entgegengetreten wäre: »Bitt’ Sie, Herr Kraus, können S’ net einfach frei heraus das Schöne lieben?«

Es gibt auch Einwände gegen Kraus, die ernst zu nehmen sind – vor allem sein bedenkenloser Gebrauch antisemitischer Spitzen –, von Autoren, die ihn ihrerseits ernst genommen und nicht wie aufgescheuchte Hühner reagiert haben, wenn sein Name gefallen ist. Goltschnigg hat sie alle unter seine Fittiche geholt, die Gerechten und die Ungerechten, die Besonnenen und die Schreckhaften. Erstaunlicherweise wird Karl Kraus noch immer geliebt oder gehasst. Alle anderen deutschsprachigen Schriftsteller seiner Zeit sind entweder kanonisiert oder vergessen. Nur um Kraus wird noch gestritten, und das spricht für ihn.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hey, »Dyn Sports«!

Bitte für zukünftige Moderationen unbedingt merken: Die Lage eines Basketballers, der nach einem Sturz »alle Viere von sich streckt«, ist alles Mögliche, aber bestimmt nicht »kafkaesk«. Sagst Du das bitte nie wieder?

Fleht Titanic

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

 Helen Fares, c/o »SWR« (bitte nachsenden)!

Sie waren Moderatorin des Digital-Formats MixTalk und sind es nun nicht mehr, nachdem Sie ein launiges kleines Video veröffentlicht haben, in dem Sie zum Boykott israelischer Produkte aufriefen, mit Hilfe einer eigens dafür programmierten App, die zielsicher anzeigt, wo es in deutschen Supermärkten noch immer verjudet zugeht (Eigenwerbung: »Hier kannst Du sehen, ob das Produkt in Deiner Hand das Töten von Kindern in Palästina unterstützt oder nicht«).

Nach Ihrem Rauswurf verteidigten Sie sich in einem weiteren Video auf Instagram: »Wir sind nicht antisemitisch, weil wir es boykottieren, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die Israel unterstützen. Ein Land, das sich vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Genozid verantworten muss, weil es Zehntausende von Menschen abgeschlachtet hat.« Da sich aber auch Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Beihilfe zum Genozid verantworten muss, war Ihre Kündigung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ja ohnehin einvernehmlich, oder?

Kann es sich nicht anders vorstellen: Titanic

 Hello, Grant Shapps (britischer Verteidigungsminister)!

Eine düstere Zukunft haben Sie in einem Gastbeitrag für den Telegraph zum 75jährigen Bestehen der Nato skizziert. Sie sehen eine neue Vorkriegszeit gekommen, da sich derzeit Mächte wie China, Russland, Iran und Nordkorea verbündeten, um die westlichen Demokratien zu schwächen. Dagegen hülfen lediglich eine Stärkung des Militärbündnisses, die weitere Unterstützung der Ukraine und Investitionen in Rüstungsgüter und Munition. Eindringlich mahnten Sie: »Wir können uns nicht erlauben, Russisch Roulette mit unserer Zukunft zu spielen.«

Wir möchten aber zu bedenken geben, dass es beim Russisch Roulette umso besser fürs eigene Wohlergehen ist, je weniger Munition im Spiel ist und Patronen sich in der Trommel befinden.

Den Revolver überhaupt vom eigenen Kopf fernhalten, empfehlen Ihre Croupiers von der Titanic

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
07.05.2024 Köln, Stadthalle Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
07.05.2024 Frankfurt am Main, Club Voltaire »TITANIC-Peak-Preview« mit Kathrin Hartmann
08.05.2024 Wiesbaden, Schlachthof Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
09.05.2024 Zürich, Friedhof Forum Thomas Gsella