Humorkritik | Dezember 2018
Dezember 2018
Wir lachen, weil wir glauben, dass es ein Witz ist.
Fiston Mwanza Mujila, »Zu der Zeit der Königinmutter«

Wie Blei
In Zeiten, in denen sich allerorts nach sogenannten Charakterköpfen in Politik und Kultur, echten Männern gar, zurückgesehnt wird, lohnt sich bisweilen der Griff in die Mottenkiste. Darin befindet sich nämlich, wie unlängst beim alten Mentz, das Büchlein »Anekdoten um Konrad Adenauer« (1959, Kemper Verlag), das einen am Beispiel des Kanzlers der bleiernen Jahre eines Besseren über die alten Zeiten belehrt. »Ein Brevier des Witzes und der Schlagfertigkeit, das auf amüsante und treffende Weise eine vorzügliche Charakteristik des großen Mannes gibt«, kann man auf dem Umschlag lesen, und wer diese Warnung übergeht, der wird mit dem satten, autoritätshörigen Wohlstandsdeutschland der Fünfzigerjahre und – ach – dessen Charakterköpfen konfrontiert. Freilich, man weiß hinlänglich, wer und was er war, der hier Lobgepriesene: ein »Abstauber, Besserwisser, Intrigant und Zuchtmeister« (Humorkritik Spezial 11/2009), nichts also, was das Personal der heutigen BRD nicht in wenigstens modernisierter Form ebenso zu verkörpern wüsste. Ein Beispiel für das lockerlustige Nachkriegsdeutschland bietet da die Anekdote »Nicht verraten!«. »Was werden Sie wählen, Herr Bundeskanzler?« wollen die etwa fünfzig Reporter am Wahlmorgen erfahren. Der »Alte« zwinkert: »Dat werde ich Ihnen ja nun doch nicht verraten, meine Herren! Die Wahl is jeheim!« Tusch!
Wer solch eine kriecherisch lachlustige Rezipientenschar hat, braucht für den Witz gar nicht erst zu sorgen. Vielleicht ist eine Re-education der deutschen Bevölkerung ja doch zumindest teilweise und dahingehend geglückt, dass wir bei Annegret Kramp-Karrenbauer, Peter Altmaier und Jens Spahn wenigstens nicht mehr aus Freude über deren »vorzügliche Charakteristik« in Gelächter ausbrechen, die ist dafür nämlich wirklich nicht nötig.