Humorkritik | Januar 2017
Januar 2017
»… was wir Deutschen Humor nennen, die wunderbare, aus der tiefsten Anschauung der Natur geborne Kraft des Gedankens, seinen eignen ironischen Doppeltgänger zu machen, an dessen seltsamliche Faxen er die seinigen und – ich will das freche Wort beibehalten – die Faxen des ganzen Seins hienieden erkennt und sich daran ergetzt …«
E.T.A. Hoffmann
Milde verstörend
Eher zufällig fiel mir das Buch »Paniktotem« in die Hände, ein Sammelband der jungen Illustratorin Nadine Redlich. Darin finden sich Zeichnungen und kurze Comics, wie zum Beispiel der folgende: Ein Hund sieht einen Stuhl, setzt sich drauf. »Great chair!« denkt er. Auf den nächsten vier Bildern passiert: nichts. Dann die nächste Gedankenblase: »I could sit like this forever!« Die nächsten fünfundzwanzig Bilder verweilt er mit dem immergleichen debilen Gesichtsausdruck, um sich am Ende seine Eingangsaussage zu bestätigen: »Great chair!«
Es sind diese überschlichten Set-ups, das gezielte Auslassen sequentieller Erzählmöglichkeiten, doch vor allem Redlichs Figuren, deren niedlich-biedere Knubbelnasenhaftigkeit stets durch einen irren Ausdruck konterkariert wird: Sie erzeugen mild verstörende Komik und machen die Lektüre zu einer unterhaltsamen Angelegenheit. Wie es die Zeichnerin versteht, ihren Figuren mit wenigen Strichen und Farbflächen Leben zu geben, ist schon beeindruckend. Das ist nicht immer witzig gemeint, Pointen werden minunter gekonnt umsegelt; deshalb sei vor allem den Freunden des stillen, rätselhaften Humors »Paniktotem« ans Herz gelegt. Ich für meinen Teil hoffe, mich von Frau Redlichs Zeichnungen in Zukunft häufiger irritieren lassen zu können.