Humorkritik | Januar 2017
Januar 2017
»… was wir Deutschen Humor nennen, die wunderbare, aus der tiefsten Anschauung der Natur geborne Kraft des Gedankens, seinen eignen ironischen Doppeltgänger zu machen, an dessen seltsamliche Faxen er die seinigen und – ich will das freche Wort beibehalten – die Faxen des ganzen Seins hienieden erkennt und sich daran ergetzt …«
E.T.A. Hoffmann
Je ne comprends pas
Die erste Ausgabe des deutschen Charlie Hebdo habe ich mir erspart und lieber gleich die zweite gelesen, die, Opfer des allgemeinen journalistischen Aufmerksamkeitsdefizits, gar nicht mehr beachtet wurde. Viel habe ich dabei gelernt über François Fillon, François Hollande, François Truffaut, Tierschutz, atheistische Ex-Muslime und die Leistungen französischer Mathematikschüler; übrig bleibt die Frage, ob Charlie Hebdo denn eigentlich das ist, als was es alle Welt kennt: eine Satirezeitschrift. Denn keiner dieser Texte, wenngleich elegant und bissig geschrieben, ist Satire im klassischen Sinn; kaum irgendwo wird, abgesehen von ironischen Halbsätzen, uneigentlich gesprochen, also: mit verstellter Stimme. Jetzt, da Charlie deutsch ist, merkt man’s. Übrig bleibt auch die Erkenntnis, daß die Übersetzer gleich drei Sprachen nur sporadisch beherrschen: französisch (»Guilotine«), reichsdeutsch (»Göbbels«) und englisch (»Looser«).
Unzweifelhaft satirisch sind nur die Zeichnungen. Mein Höhepunkt: Ein krasser Beitrag über die Lügen von Abtreibungsgegnern, illustriert u.a. mit einem fritierten Fötus (»Das Geheimnis der Nuggets-Herstellung«) und einem Schwangerschaftsabbruch mit der elektrischen Zahnbürste.
Und dann, knapp vorm Ende, auf der letzten Seite, findet doch noch Textsatire statt: die aktuelle Nachrichtenlage in Form von klassischen Witzen. Kennen Sie den? »40% der britischen Frauen würden gern virtuelle Sexpraktiken probieren. Nach dem Brexit jetzt also auch noch der Klitorexit.« Oder: »Ein Agent des deutschen Geheimdienstes steht unter Attentatsverdacht. Der Direktor der Stasi mußte daraufhin seinen Rücktritt einreichen.« Charlie Hebdo – endlich auch auf deutsch unverständlich.