Humorkritik | Juli 2015
Juli 2015
»So berührte er die beiden Pistolen in seinen Taschen; es blitzte in seinen scharfen grauen Augen plötzlich auf, und er brach in ein unbändiges Gelächter aus, wie er seit Dezennien nicht mehr gelacht hatte, in ein wahres Schulbubengelächter.«
Conrad Ferdinand Meyer, »Der Schuß von der Kanzel«
Autobiographisches
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine Autobiographie anzugehen: schwer analytisch oder erzählerisch leicht, selbstironisch oder selbstzerfleischend, chronologisch oder mutwillig durcheinander. Der rein anekdotische Ansatz führt in der Regel zu den unerträglichsten Ergebnissen – es sei denn, man macht es wie Andreas Dorau.
Dorau hat einiges von dem, was er seit »Fred vom Jupiter« machen und erleben durfte, dem »Element of Crime«-Kollegen Sven Regener erzählt. Und der wiederum hat es so aufgeschrieben, daß alles auf den ersten Blick ganz kunstlos wirkt – was bekanntermaßen erst recht eine Kunst ist. Regener, man weiß es, beherrscht sie: Im gleichmacherischen Nebeneinander von bedeutenden und unbedeutenden Ereignissen, bekannten und unbekannten Figuren, prägenden und folgenlosen Eindrücken präsentiert er Doraus bisheriges Leben; Pointen – gute wie schwache – serviert er ungerührt und so knapp wie möglich. Beim Lesen kam ich mir vor wie jemand, dem ein Zufallsbekannter Geschichten erzählt, die man sonst allenfalls einem guten Freund zumuten dürfte. Doch Regeners und Doraus Vertrauen ins Triviale triumphiert, »Ärger mit der Unsterblichkeit« (Galiani) ist ein ausgesprochen unterhaltsames Büchlein.
In Maßen gilt das auch für Thomas Gottschalks Bilanz »Herbstblond« (Heyne). Distanz ist diesem Mann allerdings fremd, Gottschalk will »geistig Inventur« machen und seine »persönliche Festplatte« defragmentieren. Sein Talent als Blender war fraglos höchst fernsehtauglich, zur Literatur taugt es nicht ganz. Gottschalk möchte nicht weniger als: sich erklären. Was er braucht, ist Verständnis.
Falls es ihn tröstet: Ich verstehe ihn gut.