Humorkritik | September 2014
September 2014

Glanzlos
Über die Gabe, nicht einmal unfreiwillig komisch zu sein, verfügen mehr Menschen, als man hoffen möchte. Eine sichere Bank ist da unsere zuverlässig zäh agierende Bundeskanzlerin, derer kruder Ausstoß an Banalitäten stets einschläfernd wirkt, nie lustig. Ebenfalls nur Mitleid heischt und verdient inzwischen auf ganzer Linie der völlig im Schleim seiner Affektiertheit versunkene Fernseh-Modeljuror Wolfgang Joop, über den niemand lachen mag, weil der Mann, ganz unten, wo er ist, keine Fallhöhe mehr hat. Anders, wenn auch ähnlich blöd ist es mit Büchern, die von Verlagen als »zum Schreien komisch« angepriesen werden und die, fast schon erwartbar, weder zum Schreien sind noch komisch. In dem bei Haffmans Tolkemitt publizierten Reisebericht »Glänze, Gespenst!« hängen 3000 schwule männliche Passagiere auf einem Kreuzfahrtschiff herum, um Spaß zu haben – und haben ihn aber nicht. Autor ist der homosexuelle, in der ostdeutschen Provinz lebende Amerikaner Steve M. Brown, und seine Idee war, irgend etwas an David Foster Wallaces »Schrecklich amüsant, aber in Zukunft ohne mich« Angelehntes zu schreiben und keine Ahnung zu haben, wie das geht. Zugutehalten kann man Brown nur, daß er entgegen der Verlagsankündigung vielleicht gar nicht vorhatte, komisch zu sein – und daß er auch sonst nichts vorhatte: Sein Protagonist ist eher unfreiwillig an Bord geraten, als Reporter und embedded Homo, ein Schwuler unter 3000 Schwulen, die nonstop unterwegs sind auf einer Rundreise zwischen Long Beach, Südkalifornien und Puerto Vallarta, Mexiko. Es ist eine siebentägige Non-Stop-Party mit endlosen Unterhaltungsshows, hedonistischen Körperfaxen, mit Partys im Swimmingpool und Schwanzvergleich auf allen Decks. »Wir befinden uns auf einem Schiff, auf dem die eine Hälfte zum Ficken hier ist und die andere Hälfte auch zum Ficken, aber angeblich nicht ausschließlich. Wenn das kein Sinnbild der menschlichen Existenz des Mannes ist, weiß ich es auch nicht.« Der einzige, der jedenfalls nicht mitfeiert, weil er sich Distanz auferlegt, ist der Erzähler selbst, der ununterbrochen seinen in Thüringen verbliebenen Freund anschmachtet.
Erinnert sich jemand an Thomas Brussigs glorreichen Bordellreiseführer »Berliner Orgie« (TITANIC 10/07), den der Mann geschrieben hat, ohne je einmal mitzuschnackseln? So trostlos voyeuristisch ist auch »Glänze, Gespenst!«, wobei die Langeweile hier noch verschärft wird durch seitenlange autobiographische Einschübe und unverlangt geäußerte weltumspannende Betrachtungen des Autors, dem angesichts des Phalluscharakters vieler Denkmäler zum Beispiel einfällt, daß da nicht immer eine Absicht dahintersteckt: »Wichtiger erscheint mir, daß von einer Vagina inspirierte Denkmäler eine enorme Gefahr darstellen würden. Täglich würden Kinder hineinfallen und sterben. Es wäre nur eine Frage der Zeit, bis Sicherheitsnetze über ihre Öffnungen (!) gespannt würden …, und dann würde es nicht lange dauern, bis die akademische Welt sich darüber empört, daß man versuche, die natürliche Macht der Frauen zu dominieren.« Lacht da jemand? Ich schätze, nein. Und schließe mit dem Ausruf des alten Goethe, in allerdings meinen Worten: Das unfreiwillig Unkomische, es zieht uns hinab.