Humorkritik | Oktober 2013

Oktober 2013

This is Family Tree

Spinal Tap, die Heavy Metal Band mit den röck döts über dem n, war bekanntlich die lauteste Band der Welt – weil sie die einzige Band mit Verstärkern war, deren Lautstärke man nicht wie üblich bis zehn, sondern sogar bis elf aufdrehen konnte. Doch trotz ihrer ungeheuren Lautstärke war der humoristische Ton von »This is Spinal Tap« (1984, Regie: Rob Reiner) eher leise. So entstand eine fein beobachtende, bisweilen sogar melancholische Doku-Parodie, die vor allem von den Hauptdarstellern und ihren improvisierten Dialogen (in einem parodierten Britisch-Englisch) lebte.

Christopher Guest, seinerzeit Leadgitarrist von Spinal Tap, hat diese komische Grundstimmung beibehalten, ebenso seine Vorliebe fürs Britische – und nun nach einigen kleinen Filmen (TITANIC 5/2004) seine erste Sitcom vorgelegt: »Family Tree« (HBO/BBC). Auch hier gibt die Komik eben nicht eins auf die Zwölf, sondern, man verzeihe mir das gemopste Bild: auf die Elf. Chris O’Dowd (»The IT Crowd« und »Moone Boy«, siehe auch die »Humorkritik Spezial« in TITANIC 12/2012) trägt hierzu als Tom Chadwick, Protagonist der Serie, das Seine bei, indem er den mehr oder weniger meschuggenen Menschen, auf die er trifft, stets zurückhaltende Irritation und ahnungslose Freundlichkeit entgegenbringt.

Und er trifft auf viele Meschuggene. Denn Tom, just arbeitslos geworden, erbt einen Koffer mit altem Krempel, zieht das Foto eines eindrucksvollen edwardianischen Offiziers heraus und beschließt umgehend – fasziniert von einer möglicherweise spannenden Familiengeschichte – seinen Stammbaum zu erforschen und noch lebenden Verwandten nachzuspüren.

Schnell stellt sich jedoch heraus, daß sein Vorfahr gar nicht der Porträtierte ist, sondern der Fotograf. Und natürlich war sein Urgroßvater, der neben Sir Laurence Olivier auf der Theaterbühne stand, nur Komparse und, als Teil seines eigenen Double Acts, die hintere Hälfte eines menschlichen Pferdes (die auch auf seinem Grabstein eingraviert ist). Doch Tom ist immun gegen Enttäuschungen, forscht immer weiter und gelangt in der zweiten Hälfte der Serie schließlich in die USA, wo er auf immer mehr Spinner trifft – und tatsächlich auf die komischeren. Womöglich ist die Fallhöhe in Amerika größer als in Großbritannien, wo Exzentriker förmlich zur Rudelbildung neigen; oder Christopher Guest kennt seine Landsleute doch ein bißchen genauer. Unter Umständen ist Guests amerikanischer Cast (der auch in seinen Filmen stets der gleiche ist) auch etwas besser eingespielt. Jedenfalls wird »Family Tree« nach einer eher schwachen ersten Episode von Folge zu Folge erfreulicher.

Am besten gefielen mir die Miniaturen, die Guest in jeder Folge untergebracht hat: kleine Parodien auf englische Sitcoms, wie sie Toms Vater gerne sieht (»There Goes the Neighbourhood«), oder die sehr komische Mischung aus Sherlock Holmes und Star Trek, »The New Sherlock Holmes«, die sich Tom gerne reinzieht. Überhaupt scheint mir Christopher Guest im episodischen Genre viel besser aufgehoben als im Spielfilm. Hier kann er sich ganz in seine Charaktere und deren absurde kleine Geschichten verwickeln – und prompt entsteht eine Serie, die mindestens doppelt so kurzweilig ist wie seine Filme. Gerade ist sie auf DVD erschienen und via Import erhältlich.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Es tut uns aufrichtig leid, Alice und Ellen Kessler (die Kessler-Zwillinge),

Es tut uns aufrichtig leid, Alice und Ellen Kessler (die Kessler-Zwillinge),

dass Ihre Kindheit, wie Sie im Bunte-Interview erzählten, von der täglichen Gewalt eines trinkenden Vaters geprägt war. Ganz überraschend kommt Ihr Geständnis vom besoffenen Prügelpapa allerdings nicht. Man hätte sich schließlich denken können, dass dieser Arsch dauernd doppelt gesehen hat.

Verdient im Gegensatz zu Ihnen für diesen Gag auf jeden Fall Schläge: Titanic

 Moin, »Spiegel«!

Bei dem Artikel »Wir gegen uns« wussten wir nach dem Artikelvorspann »Die linksextreme Szene in Deutschland hat einen neuen Gegner: sich selbst« schon, dass da nichts Kluges drinstehen kann. Die Linke sich selbst ein »neuer Gegner«? Da drehen sich aber so einige vor Lachen im Grabe um.

Nicht ganz so geschichtsvergessen: Titanic

 Rechtzeitig zur Urlaubsartikelsaison, »Spiegel«,

lesen wir in Deinem Urlaubsartikel »Entzauberte Idylle« die Behauptung: »In den Ferien wollen wir doch alle nur eins: Aperol Spritz und endlich mal in Ruhe lesen.«

Das können wir natürlich sehr gut verstehen. Wir wollen in den Ferien auch nur eins: 1. eine eigene Softeismaschine auf dem Balkon, 2. einen Jacuzzi im Wohnzimmer, 3. eine Strandbar auf dem Balkon, 4. einen Balkon.

Deine Urlaubsmathematiker/innen von Titanic

 Gute Güte, sehr unverehrter Hassan Nasrallah!

Gute Güte, sehr unverehrter Hassan Nasrallah!

Sie sind Chef der Hisbollah, und ein neues Propagandavideo Ihrer freundlichen Organisation war mit einem Satz unterlegt, den Sie bereits 2018 gesagt haben sollen: Die Hisbollah besitze »Präzisions- und Nicht-Präzisionsraketen und Waffenfähigkeiten«, die Israel »mit einem Schicksal und einer Realität konfrontieren werden, die es sich nicht ausmalen kann«.

Das, Nasrallah, glauben wir, verkörpern Sie doch selbst eine Realität, die wir agnostischen Seelchen uns partout nicht ausmalen können: dass das Schicksal von Gott weiß wie vielen Menschen von einem Knall- und Sprengkopf wie Ihnen abhängt.

Ihre Präzisions- und Nicht-Präzisionsraketenwerferin Titanic

 Eine dicke Nuss, »ZDF heute«,

hast Du uns da zu rechnen gegeben: »Die Summe aus sinkenden Ticketverkäufen und gestiegenen Kosten« führe dazu, dass Festivals heutzutage meist ein »Minusgeschäft« seien.

Also wenn man die Ticketverkäufe und die gestiegenen Kosten addiert, wie man es ja in der Erstsemester-BWL-Vorlesung gelernt hat, und davon ausgeht, dass die Ticketverkäufe trotz Flaute größer als Null bleiben und auch die Kosten eine positive Zahl bilden, die Summe entsprechend ebenfalls positiv bleibt (und kein »Minusgeschäft« ergeben kann), dann müsste das Ergebnis doch sein … hmm … ja, genau: dass Du wirklich keine Ahnung von Mathe hast.

Aber mach Dir nichts draus, dafür hast Du ja Deine Zählsorger/innen von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Abwesenheit

Vielen Dank für Ihre E-Mail. Ich bin vom 02.–05.09. abweisend. Ab 06.09. bin ich dann wieder freundlich.

Norbert Behr

 Hybris 101

Facebook und Instagram, die bekanntesten Ausgeburten des Konzerns Meta, speisen seit kurzem auch private Daten ihrer Nutzer in die Meta-eigene KI ein. Erst wollte ich in den Einstellungen widersprechen, aber dann dachte ich: Ein bisschen Ich täte der KI schon ganz gut.

Karl Franz

 Fachmann fürs Leben

Im Gegensatz zur Schule hat man im Zivildienst viele nützliche Dinge gelernt. Zum Beispiel, dass man die Körper von Menschen, die sich selbst nicht mehr bewegen können, regelmäßig umlagert, damit keine Seite wund wird. Um anhaltenden Druck auf die Haut zu minimieren, wende ich auch heute noch die Pfirsiche in der Obstschale alle paar Stunden.

Friedrich Krautzberger

 Bilden Sie mal einen Satz mit »AKW«

Der Bauer tat sich seinen Zeh
beim Pflügen auf dem AK W.

Jürgen Miedl

 Unwirtliche Orte …

… sind die ohne Kneipe.

Günter Flott

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 12.09.:

    "Heute detoxe ich im Manager-Retreat im Taunus": TITANIC-Chefredakteurin Julia Mateus im Interview mit dem Medieninsider.

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

  • 27.08.: Bernd Eilert schreibt in der FAZ über den französischen Maler Marcel Bascoulard.
  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

  • 29.01.:

    Ein Nachruf auf Anna Poth von Christian Y. Schmidt im ND.

Titanic unterwegs
17.09.2024 Stadthagen, Wilhelm-Busch-Gymnasium Wilhelm-Busch-Preis Hilke Raddatz mit Bernd Eilert
18.09.2024 Bonn, Rheinbühne Thomas Gsella
18.09.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner
19.09.2024 Berlin, Kulturstall auf dem Gutshof Britz Katharina Greve