Humorkritik | August 2013

August 2013

Finster oder schwarz?

Wie schade, daß die Komiksoziologie noch in den Kinderschuhen steckt, denn ein wenig täte es mich schon interessieren, wie die neuen Facebook-Gruppen, die sich um das Rubrum »Umstrittener Humor« herum bilden, aktuelle Verhältnisse abbilden. Wer die genannten Gruppen nicht kennt: Unter Titeln wie »[Umstrittener Humor] Mein Humor ist so schwarz, er könnte bei mir als Sklave arbeiten« oder »[Umstrittener Humor] Mein Humor ist schwärzer als Obamas Penis« sammeln sich in den sozialen Netzwerken, neben viel böshumoriger Hausmannskost und sowieso kurrenten Internet-Memen, immer wieder auch Gewaltpornographie und gräßliche KZ-Witze, wie sie auch der nächste NPD-Stammtisch nicht schäbiger und höhnischer artikuliert. Diese Seiten, die oft mehrere zehntausend Fans auf sich vereinen, sehen das sämtlich als »schwarzen Humor« gerechtfertigt und weisen Kritik von »Moralfags« brüsk zurück. Die Kritiker hingegen organisieren sich in Gruppen wie »Mein Humor ist so weiß, er könnte Socken in Sandalen tragen«, wo antideutsche Scherze aller Art getrieben werden. Andere spezialisieren sich darauf, solche Seiten durchs Melden bei den Facebook-Administratoren aus dem Netzwerk zu entfernen; sie tragen rechtschaffen-biedere Namen wie »Menschenverachtend! Auch schwarzer Humor hat seine Grenzen« – und jagen halt nicht nur Nazis, sondern leider auch Netzwitze, wenn sie nur heikle Themen wie Rasse und Geschlecht reflektieren. Der inquisitorische Eifer, mit der dort Humordeviante aussortiert werden, und die geile Bigotterie, in der nur vage zensierte Beispiele grenzverletzender Komik vervielfältigt und vorgeführt werden, sind allerdings fast so schrecklich wie die rechtsradikale Propaganda, die da mit gutem Recht verfolgt wird: »Wie gedankenlos muss denn ein Mensch sein, diese Schicksale zu bewitzeln ohne Gefahr zu laufen, dass Betroffene über diese Seite stolpern und dadurch im schlimmsten Falle getriggert werden!« (zit. nach »Menschenverachtend!«) Wer Betroffene sagt, will betrügen: Wenn der psychologische Ausnahmefall, also der traumatisierte, instabile, »triggerbare« Mensch, und nicht der mündige Humorkonsument zum Kriterium für die Zulässigkeit komischer Produkte etabliert wird, kann man tatsächlich gleich mit dem ganzen Projekt Satire aufhören.

Die Auseinandersetzung scheint mir indes eher einer Verwirrung um den Begriff »schwarzer Humor« geschuldet, mit dem wohl das schockiert-nervöse Gelächter angesichts krasser Brutalitäten erklärt werden soll, die weder künstlerisch bearbeitet, also keine Komik sind, noch Mißstände reflektieren, also keine Satire darstellen. Dabei ist es doch so einfach: Nicht jede finstere Geschmacklosigkeit ist schwarzer Humor, aber echter schwarzer Humor rechtfertigt noch jede Geschmacklosigkeit. Sage ich, und ich weiß es von allen halt immer noch am besten.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hello, Grant Shapps (britischer Verteidigungsminister)!

Eine düstere Zukunft haben Sie in einem Gastbeitrag für den Telegraph zum 75jährigen Bestehen der Nato skizziert. Sie sehen eine neue Vorkriegszeit gekommen, da sich derzeit Mächte wie China, Russland, Iran und Nordkorea verbündeten, um die westlichen Demokratien zu schwächen. Dagegen hülfen lediglich eine Stärkung des Militärbündnisses, die weitere Unterstützung der Ukraine und Investitionen in Rüstungsgüter und Munition. Eindringlich mahnten Sie: »Wir können uns nicht erlauben, Russisch Roulette mit unserer Zukunft zu spielen.«

Wir möchten aber zu bedenken geben, dass es beim Russisch Roulette umso besser fürs eigene Wohlergehen ist, je weniger Munition im Spiel ist und Patronen sich in der Trommel befinden.

Den Revolver überhaupt vom eigenen Kopf fernhalten, empfehlen Ihre Croupiers von der Titanic

 Gute Frage, liebe »Süddeutsche«!

»Warum haben wir so viele Dinge und horten ständig weiter? Und wie wird man diese Gier wieder los?« teast Du Dein Magazin an, dasselbe, das einzig und allein als werbefreundliches Vierfarb-Umfeld für teuren Schnickschnack da ist.

Aber löblich, dass Du dieses für Dich ja heißeste aller Eisen anpackst und im Heft empfiehlst: »Man kann dem Kaufimpuls besser widerstehen, wenn man einen Schritt zurücktritt und sich fragt: Wer will, dass ich das haben will?«

Und das weiß niemand besser als Du und die Impulskundschaft von Titanic

 Verehrte Joyce Carol Oates,

da Sie seit den Sechzigern beinah im Jahrestakt neue Bücher veröffentlichen, die auch noch in zahlreiche Sprachen übersetzt werden, kommen Sie vermutlich nicht dazu, jeden Verlagstext persönlich abzusegnen. Vielleicht können Sie uns dennoch mit ein paar Deutungsangeboten aushelfen, denn uns will ums Verrecken nicht einfallen, was der deutsche Ecco-Verlag im Sinn hatte, als er Ihren neuen Roman wie folgt bewarb: »›Babysitter‹ ist ein niederschmetternd beeindruckendes Buch, ein schonungsloses Porträt des Amerikas der oberen Mittelschicht sowie ein entlarvender Blick auf die etablierten Rollen der Frau. Oates gelingt es, all dies zu einem unglaublichen Pageturner zu formen. In den späten 1970ern treffen in Detroit und seinen Vorstädten verschiedene Leben aufeinander«, darunter »eine rätselhafte Figur an der Peripherie der Elite Detroits, der bisher jeglicher Vergeltung entkam«.

Bitte helfen Sie uns, Joyce Carol Oates – wer genau ist ›der Figur‹, dem es die elitären Peripherien angetan haben? Tragen die Leben beim Aufeinandertreffen Helme? Wie müssen wir uns ein Porträt vorstellen, das zugleich ein Blick ist? Wird das wehtun, wenn uns Ihr Buch erst niederschmettert, um dann noch Eindrücke auf uns zu hinterlassen? Und wie ist es Ihnen gelungen, aus dem unappetitlich plattgedrückten Matsch zu guter Letzt noch einen »Pageturner« zu formen?

Wartet lieber aufs nächste Buch: Titanic

 Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Die Frage, weshalb Joe Biden in seinem hohen Alter noch mal für das Präsidentenamt kandidiert, anstatt sich zur Ruhe zu setzen, kommentieren Sie so: »Warum muss man eigentlich loslassen? Wenn man etwas gerne macht, wenn man für etwas lebt, dann macht man halt weiter, soweit man kann. Ich schreibe meine Bücher, weil es mir Spaß macht und weil ich nicht Golf spielen kann. Und irgendwie muss ich mich ja beschäftigen.«

Daran haben wir, Wickert, natürlich nicht gedacht, dass der sogenannte mächtigste Mann der Welt womöglich einfach keine Lust hat, aufzuhören, auch wenn er vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Dass ihn das Regieren schlicht bockt und ihm obendrein ein Hobby fehlt. Ja, warum sollte man einem alten Mann diese kleine Freude nehmen wollen!

Greifen Sie hin und wieder doch lieber zum Golfschläger statt zum Mikrofon, rät Titanic

 Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Die Bunte zitiert Sie mit der Aussage: »Um zu überleben, muss man gesund sein, und wenn man am gesündesten ist, sieht man einfach auch am jüngsten aus!« Gut, dass Sie diese Erkenntnis an uns weitergeben!

Geht jetzt zur Sicherheit bei jeder neuen Falte, Cellulitedelle und grauen Strähne zum Arzt:

Ihre greise Redaktion der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
07.05.2024 Köln, Stadthalle Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
07.05.2024 Frankfurt am Main, Club Voltaire »TITANIC-Peak-Preview« mit Kathrin Hartmann
08.05.2024 Wiesbaden, Schlachthof Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
09.05.2024 Zürich, Friedhof Forum Thomas Gsella