Humorkritik | April 2013

April 2013

Ror Wolfs Lachlustigkeit

In der 2009 begonnenen Ror-Wolf-Werkausgabe blättere ich bisweilen auch mit gemischten Gefühlen: Sie wird bei Schöffling & Co. von Wolf-Fachleuten mustergültig ediert und ist bis ins kleinste Detail hinein äußerst liebevoll gestaltet – so detailversessen, daß sie in ihrer Ausstattung sogar die »Gesammelten Schriften« des für Wolf so wichtigen T. W. Adorno zitiert. Derartige Makellosigkeit erwartet man aber eigentlich erst bei einer postumen Ausgabe; weiß man zudem, daß Ror Wolf vor einigen Jahren schwer an Krebs erkrankte und außer einigen »Aufzeichnungen aus dem Archiv der Wirklichkeitsfabrik« – Bruchstücken aus dem Wolfschen Materialfundus – und eben dieser Werkausgabe lange nichts Neues mehr von ihm kam, so schien mir jeder ihrer Bände ein höhnisches »Das war’s dann!« zuzurufen.

Groß und ungebrochen ist daher meine Freude, daß Ror Wolf mit »Die Vorzüge der Dunkelheit. 29 Versuche die Welt zu verschlingen« tatsächlich noch einmal etwas Neues vorgelegt hat, nämlich einen »Horrorroman«, wie der Umschlag des schön bebilderten Buches verheißt. Genretypisches findet sich, abgesehen von ein paar durchhuschenden Fledermäusen, kaum – Wolftypisches dagegen schon: Die Doktores Q und Wobser, Herr Nagelschmitz, Al Capone und Max Schmeling sind dabei, sie schießen und verfolgen, machen sich Gedanken über das Niederschlagswesen, die Wirkungen der Militärmusik und natürlich auch über den Eisenbahnschwindel und suchen zwischendurch Erholung an so trostspendenden Orten wie den Schankwirtschaften »Biertunnel« oder »Schnitzelgebirge«.

Und doch ist hier etwas anders als sonst. In den geschilderten »Versuchen« – oder jedenfalls ihren ersten zwanzig – sitzt der Ich-Erzähler nicht im gemütlichen Sessel oder am Fenster daheim und erschafft und bereist zugleich seine Wortwelten, sondern er liegt im Krankenhausbett und ringt um sein Leben. Das ist wohl der Nachhall des Horrors der überlebten Krebsoperation, in den es den Erzähler aus seinen Gedankenreisen wieder und wieder zurückreißt. Ist das dann überhaupt noch komisch? Hören wir dazu den Erzähler: »Und während ich mich nun dem Schluß näherte, empfand ich, daß meinem trotz aller Leichtigkeit doch mehr ernst gemeinten Vortrag eine nicht ganz angemessene Lachlustigkeit folgte.«

Soll heißen: ja. Wolf hat seine komischen Funken immer schon aus den Ungemütlichkeiten des Lebens geschlagen, und das gelingt ihm auch beim Allerentsetzlichsten. Wolf-Debütanten wie auch gestandenen Stammlesern, die sich womöglich fragen, ob sie sich seine Texte noch einmal in Form dieser Werksausgabe zulegen sollen, sei als Einstieg der jüngst erschienene Band »Die Einsamkeit des Meeresgrunds« (gleichfalls bei Schöffling & Co.) nahegelegt, in dem erstmals sämtliche Wolfschen Radioarbeiten (mit Ausnahme der Fußballcollagen) versammelt sind, und zwar als Text wie auch als MP3. Wer danach nicht schwerstens angefixt ist, dessen Lachlustigkeit ist dann nicht mehr zu helfen.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Dir, Tod,

gefiel es im Jahr 2010, im Abstand von einem Tag Bärbel Bohley (11. September) und Claude Chabrol (12. September) abzuberufen, worauf wir damals in unserer Online-Rubrik »Fakt vs. Frage« scharfsinnig spekulierten, als Nächstes treffe es nun wohl Dieter Dehm, Erhard Eppler und Frank Farian. Knapp daneben! Denn Frank Farian holtest Du erst dieses Jahr, am 23. Januar – nicht ohne vorher noch die Büchnerpreisträgerin Elke Erb (22. Januar) abzuräumen.

Und langsam durchschauen wir Dich, Gevatter: A darf leben, B und C müssen sterben; D darf leben, E und F müssen sterben …

Um es kurz zu machen: Gundula Gause ist, trotz ihres boulevardmedial großflächig breitgetretenen Schwächeanfalls vom Dezember (Bild: »total unnötig«, »hätte mich krankmelden sollen«), fürs Erste fein raus, während Heimatsänger Hansi Hinterseer und Malertochter Ida Immendorff sich lieber schon mal das letzte Hemd anziehen sollten. Stimmt’s?

Gruselt sich vor der Antwort: Titanic

 Bonjour, Marine Le Pen!

Bonjour, Marine Le Pen!

Das Potsdamer Treffen der AfD mit anderen extremen Rechten war selbst Ihnen zu heftig: Sie seien nie für eine »Remigration« in dem Sinne gewesen, dass Französinnen und Franzosen ihre Nationalität entzogen würde, selbst wenn die Einbürgerung unter fragwürdigen Bedingungen geschehen sei, meinten Sie und fügten hinzu: »Ich denke also, dass wir, wenn es denn so ist, eine krasse Meinungsverschiedenheit mit der AfD haben.«

Keine Ahnung, Le Pen, ob Sie mit dieser Haltung eine Chance aufs französische Präsidentenamt haben. Ministerpräsidentin von Thüringen würden Sie mit diesem Weichei-Schlingerkurs aber ganz sicher nicht!

Schon ein bisschen enttäuscht: Titanic

 Moin, Hamburger Craft-Brauerei ÜberQuell!

Dein Firmenname zeugt ja bereits von überschäumender Wortspiellust, aber so richtig freidrehend auf die Kacke haust Du erst bei den Bezeichnungen Deiner einzelnen Biersorten: Die heißen nämlich zum Beispiel »Supadupa IPA«, »Palim Palim Pale Ale«, »Pille Palle Alkoholfreies Ale« oder sogar »Franzbrewtchen Imperial Pastry Brown Ale«. Auweia!

Gerade bei Letzterem, das außerhalb Hamburgs von vielen gar nicht zu entschlüsseln sein dürfte, mussten wir, obschon viel gewohnt, dann doch schlucken, weil uns allein der Name innerhalb von Sekunden pappsatt und sturzbetrunken machte. Er erschien uns einfach zu brewtal, fast schon brauenhaft! Auf Dein Bier haben wir dann lieber verzichtet.

Aus der Ausnüchterungszelle grüßt trotzdem: Titanic

 Einfach mal kreativ sein, Rishi Sunak!

Der BBC sagten Sie: »Ich bin nicht sicher, ob sich die Leute so sehr für meine Ernährung interessieren, aber ich versuche, zu Beginn jeder Woche etwas zu fasten.« Wir glauben, dass Ihre Unsicherheit berechtigt ist: An Ihren Beliebtheitswerten kann man ablesen, dass sich das Interesse an Ihren Gewohnheiten in Grenzen hält.

Das ließe sich aber leicht ändern: Bei den ganzen verschiedenen Varianten wie TV-, Auto- und Plastikfasten gäbe es bestimmt auch für Sie etwas, durch das Sie die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit »eight days a week« auf sich zögen. Wie wäre es z. B. mit Abschiebungsfasten, Verbrennerverbotverzögerungsfasten oder Zweiteamtszeitfasten?

Nur dass Sie gerade beim Thema »Neuwahlen« dem Verzicht huldigen, sollten Sie nach Ansicht der Mehrheit Ihrer Landsleute schleunigst ändern. Zwischendurch kann man sich doch auch ruhig mal was gönnen, oder?

Mampft Ihre Scones mit Clotted Cream und reichlich Marmelade gleich mit: Titanic

 Na, na, na, welt.de!

»Warum ›Barbie‹ klüger ist als alle anderen nominierten Filme zusammen«, titeltest Du in Deinem Feuilleton bezüglich der diesjährigen Oscar-Kandidaten. Allein: Wir haben noch mal den Taschenrechner gezückt, und wenn man auch die Dokumentar-, Kurz- und Dokumentarkurzfilme berücksichtigt, sind alle anderen nominierten Filme zusammen exakt 1,76 Klugheitspunkte klüger als »Barbie«.

Welches Medium dümmer ist als alle anderen Medien zusammen, braucht hingegen nicht nachzurechnen: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Pandemisches Passionsspiel

Die Erfahrungen aus der Coronazeit wirken teils immer noch nach. So fragt man sich heute bei der Ostergeschichte: Hat Pontius Pilatus, als er seine Hände in Unschuld wusch, dabei zweimal »Happy Birthday« gesungen?

Jürgen Miedl

 Authentisch

Jedes Mal, wenn mir ein bekennender Feinschmecker erklären will, wie aufwendig ein echt italienisches Risotto zubereitet gehört, habe ich das Gefühl, es würde stundenlang um den heißen Brei herumgeredet!

Mark-Stefan Tietze

 Und das Brot erst!

Einen Krankenwagen rufen, ohne sich in Schulden zu stürzen, mehr Urlaubs- als Arbeitstage, Bier zum Frühstück: Deutschland ist toll. Mit solchen Takes können US-amerikanische Influencerinnen hierzulande natürlich punkten. Aber betreiben sie damit nicht einfach nur billiges Kraut-Pleasing?

Alexander Grupe

 Lauf, Junge!

Die Ordner bei einem Fußballspiel würden sich wesentlich mehr Mühe geben, wenn sie bei der Jagd nach dem Flitzer auch nackt sein müssten.

Rick Nikolaizig

 Nach Explosion in der Molkerei

Alles in Butter.

Loreen Bauer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
21.03.2024 Bamberg, Konzerthalle Martin Sonneborn
21.03.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner
22.03.2024 Bayreuth, Zentrum Martin Sonneborn
22.03.2024 Winterthur, Bistro Alte Kaserne »Der Unsinn des Lebens« mit Pause ohne Ende