Humorkritik | April 2013
April 2013
Wohnungsbesichtigung
FAS-Feuilletonist Volker Weidermann, so informiert mich der Klappentext von Ulrich Holbeins »Ein Chinese in Rom. Jean Paul und Goethe: ein untendenziöses Doppelporträt« (Haffmans & Tolkemitt), sagt über Holbein: »In diesem Kopf möchte man mal wohnen.« Das mag stimmen für einen, der derart karg möbliert leben muß wie Weidermann. Aber für den Rest? Sieht man sich in Holbeins quellen- und kenntnisreichem Doppelporträt um, kommt man zum Schluß: In dieser Hirnstube gibt es zuviel Nippes aus aller Welt und allen Zeiten. Entdeckt man etwas fröhlich Funkelndes (»Aber klassisches Althertum machte Goethe wirklich sehr an«), erscheint es schon im nächsten Moment als billiges Handwerk (»Da fuhr er total drauf ab, und das fand er auch gut so«), bis man schließlich gar nicht mehr so recht weiß, woher das alles kommt und wieso es da herumsteht (»Das fand er ganz klasse, jene uralte Klassik, unten am Mittelmeer; da kaprizierte er sich, da verbiß er sich wie ein Daoist ins Dao und ein Buddhist ins Wu Wei«). Und manchmal ist’s schlicht unaufgeräumt: »Ums ›Pissen‹ hingegen, um das viele Poeten einen Bogen machten, schreckte Jean Paul nie zurück: ›Das junge Leben als eine Sonne verschlingend verdauen, und es als einen Mond kacken‹«. Als Mond gekackte Pisse, um die Jean Paul nicht zurückschreckt – da müßte man noch mal mit Grammatikbesen und Sinnzusammenhangsschaufel durch. Daneben hat Holbein aber auch fein Säuberliches zu Goethe und Jean Paul im Regal, und wer sich in diesem assoziativen Messietum einrichten kann, entdeckt so manchen Schatz und verweilt ganz gerne. Nur für mehr als gelegentliche Kurzbesuche reicht’s dann eben nicht.